Sterbehilfe-Regelungen

04.10.13, ergänzt am 13.12.13: Belgien diskutiert über Sterbehilfe nach Geschlechtsumwandlung – Gesetzesvorstoß für aktive Sterbehilfe für Minderjährige und Demenzpatienten

Flagge BelgienIn Belgien ist die Sterbehilfedebatte neu aufgeflammt. Hintergrund ist der Fall des 44-jährigen transsexuellen Belgiers Nathan V., der sich nach einer Geschlechtsumwandlung auf eigenen Wunsch von einem Arzt mit einer Giftinjektion in einem Brüsseler Krankenhaus am 30.09.13 töten ließ.

Er war mit den Ergebnissen der Operationen unglücklich und habe sich nach eigenem Bekunden nur noch „als Monster“ gefühlt und „vor sich selbst geekelt“. Dies habe zu einem unerträglichen psychischen Leiden geführt, so dass er seinem Leben ein Ende setzen wollte.

In Belgien ist es laut Gesetzgebung möglich, auch bei „unerträglichem psychischen Leiden“ aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, sofern der Wunsch in innerhalb eines bestimmten Zeitraums wiederholt geäußert wird. Im aktuellen Fall habe sich der Patient nach Angaben des Arztes einer sechsmonatigen Beratung unterzogen, damit habe er alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt.

Gesetzesvorstoß für aktive Sterbehilfe für Minderjährige und Demenzpatienten

Neben dem umstrittenen Sterbehilfe-Fall sorgte in Belgien eine am 02.10.13 veröffentlichte repräsentative Sterbehilfe-Umfrage für weiteren Zündstoff. Darin ging es um Sterbehilfe für Minderjährige und für Alzheimer-Patienten bzw. Menschen mit anderen Demenz-Erkrankungen, die selbst den Wunsch nach Sterbehilfe äußern.

Wie die belgische Zeitung „La Libre“ und der Rundfunk RTBF berichteten, haben sich drei Viertel der Teilnehmer der Meinungsumfrage für eine gesetzliche Erlaubnis der Sterbehilfe bei Minderjährigen ausgesprochen, wenn die betroffenen Kinder unter einer unheilbaren Erkrankung leiden und selbst nicht in der Lage sind, ihre Zustimmung zur Sterbehilfe zu geben. Eine Zustimmung zur Sterbehilfe bei Demenzpatienten gab es von insgesamt 79 Prozent der Befragten.

Hintergrund der Umfrage sind die Pläne von Sozialisten und Liberalen im belgischen Parlament für eine Ausweitung des Sterbehilfe-Gesetzes für extreme Fälle. Die Annahme der Vorschläge gilt Medienberichten zufolge als wahrscheinlich.

Ergänzung 13.12.13: Belgischer Senat beschließt Ausweitung der Sterbehilfe auf Minderjährige

In Belgien steht die Ausweitung der aktiven Sterbehilfe auf Minderjährige nun kurz bevor. Diversen Medienberichten zufolge hat der Belgische Senat am Freitag, den 13.12.13 mit großer Mehrheit einem entsprechenden Gesetzentwurf zugestimmt. Demnach soll es künftig erlaubt sein, unheilbar kranken Minderjährigen auf deren Wunsch hin unter engen Voraussetzungen aktive Sterbehilfe zu leisten. Allerdings müssen auch die Eltern und die behandelnden Ärzte zustimmen. In Belgien ist aktive Sterbehilfe für Erwachsene unter bestimmten Umständen seit 2002 gestattet.

Der Senat diskutiert bereits seit Mitte Februar über die Ausweitung aktiver Sterbehilfe auf Minderjährige und Demenzkranke. Befürworter und Gegner des Gesetzes machen seit Monaten in Belgien in der Öffentlichkeit mobil. So äußerten insbesondere die beiden großen christlichen Kirchen, Muslime und Juden ihre Besorgnis über die Pläne. Demgegenüber gab es Anzeigenkampagnen von Ärzten, die das Gesetz befürworteten.

Als nächsten Schritt muss der Gesetzentwurf noch dem belgischen Unterhaus zur Abstimmung vorgelegt werden. Dessen Zustimmung gilt den Berichten zufolge bereits als sicher. Die Initiatoren hoffen, dass das Gesetz noch vor den Parlamentswahlen im Mai 2014 verabschiedet wird.

„Traurige Bankrotterklärung“ des Belgischen Senats

Scharfe Kritik an den Plänen zur Ausweitung der Sterbehilfe in Belgien kam von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Wenn der Belgische Senat der Ausweitung der Sterbehilfe auf Minderjährige zustimmt, so ist das weder eine rühmenswerte Pionierleistung noch ein Akt der Humanität, sondern eine traurige Bankrotterklärung“, kommentierte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch in einer Presseaussendung die Entscheidung.

„Von den bei der Einführung der Sterbehilfe im Jahr 2002 erklärten engen Grenzen ist nichts mehr übrig geblieben. Erst waren es wenige, schwerstkranke Erwachsene, die unerträglich leiden, dann Demenzkranke, nun unheilbar kranke und leidende Minderjährige“, verdeutlichte Brysch die Entwicklung der Sterbehilfe in Belgien. Er stellt die Frage, wer entscheidet, wann ein Leiden unerträglich ist. „Einen objektivierbaren Leidenskatalog, den Ärzte bei ihrer Entscheidung für oder gegen das Leben nur abzuhaken brauchen, kann es nicht geben. Dass dieses System schon heute nicht funktioniert und es längst keine Grenzen mehr gibt, ist an den jährlichen Zuwachsraten der Menschen, die sich für die Sterbehilfe entscheiden, zu sehen“, so Brysch.

„Wann erkennt die Politik, dass ein Angebot auch immer die Nachfrage schafft? Krankheit, Leid und menschliche Verzweiflung werden sich nie aus der Welt schaffen lassen. Was Menschen in einer solchen Situation brauchen ist professionelle Hilfe, Begleitung und Beistand“, so der Patientenschützer. Stattdessen werde der Gesellschaft suggeriert, dass Töten eine Lösung ist. Dabei sei es „die Offenbarung einer fehlgesteuerten Politik“, die den Menschen allein lässt und ihm erklärt, das sei Selbstbestimmung.

„Menschen in Belgien und den Nachbarländern sind aufgefordert, Eltern kranker Kinder, psychisch Kranken, Leidenden, Demenzpatienten und deren Angehörigen, Alten und Einsamen ein Zeichen der Solidarität zu schenken und das Belgische Parlament aufzufordern, dem Tötungswahnsinn endlich Einhalt zu gebieten“, so Brysch abschließend.

Presseschau zur Sterbehilfedebatte in Belgien

Ergänzend finden Sie eine Presseschau mit ausgewählten Meldungen zur aktuellen Sterbehilfedebatte in Belgien

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