Einführung Sterbehilfe-Debatte

Einführung

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Einführung zu den Themen menschenwürdige Pflege, Palliativmedizin, Sterbebegleitung und Hospizarbeit contra Sterbehilfe / Euthanasie, Suizidbeihilfe

Symbolbild EngelKaum eine bioethische Debatte wird so kontrovers diskutiert wie die Fragen zum Lebensende. Denn sterben wird jeder von uns früher oder später. Und jeder stirbt auf seine eigene Weise. Doch für viele Menschen in unserer Gesellschaft stellt der Tod ein Tabuthema dar, über das man nicht gerne spricht und mit dem man sich nur ungern auseinandersetzen will.

Häufig geschieht die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Tod erstmals bei der Konfrontation mit dem Tod eines (nahen) Angehörigen oder eines nahestehenden Menschen. Manchmal wird man ganz plötzlich durch einen Unfall oder auch in einem längeren Prozess durch Krankheit mit dem Lebensende konfrontiert. Und oft genug auch durch die täglichen (un)bekannten Toten in den Nachrichten. Dabei geht jeder auf ganz persönliche Weise mit dem Verlust und der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Menschen um.

Verständlich ist dabei der Wunsch, möglichst selbstbestimmt über das eigene Ende zu entscheiden. Doch was, wenn man nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen? So wie zum Beispiel im Fall eines (Wach-)Komas, Altersdemenz, schwerer geistiger Behinderung etc.?

Patientenverfügungen als Sicherheit für ein selbstbestimmtes Sterben?

Symbolbild WegManche Menschen verfassen daher Patientenverfügungen, mit denen vermeintlich versucht werden soll, so weit wie möglich über Behandlungen / Nichtbehandlungen / Behandlungsabbruch vorab selbstbestimmt zu entscheiden. Aber kann man sich wirklich sicher sein, wie man in der konkreten Situation denkt, fühlt oder handeln würde?

Einschlägigen Statistiken zufolge werden Patientenverfügungen effektiv nur in 3-4 Prozent aller Fälle bei Entscheidungen über Leben oder Tod angewandt. Gründe dafür sind z.B., weil keine Patientenverfügung verfasst wurde oder weil sie unbrauchbar ist wegen unklarer Formulierungen. Außerdem, weil die genannten Fälle in der Patientenverfügung schlicht nicht zutreffend sind auf die Situation. Manchmal sind die Papiere schlicht schon zu alt und es ist unklar, ob der dort festgehaltene Wille noch gelten soll.

Vom Recht zum Sterben zur Pflicht zum Sterben?

In der Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben oder dem Sterben eines nahestehenden Menschen und in der Sterbehilfe-Debatte allgemein, wird oft der Ruf nach aktiver Sterbehilfe oder nach Suizidhilfe laut. Gründe sind zum Beispiel die verständliche Angst vor einem „unwürdigen“ Tod, der Intensivmedizin, die Menschen auch in scheinbar ausweglosen Situationen am Leben erhalten kann oder anderes. Manchmal wird Sterbehilfe einfach nur aus „Mitleid“ gewünscht, weil andere das Leben eines Dritten als „unwürdig“ oder „nicht lebenswert“ empfinden und der Ansicht sind, dieses Leben sollte aktiv beendet werden.

In den Niederlanden gibt es nach einer längeren „Probephase“ in einem Krankenhaus in Groningen, in dem schwerstbehinderte Neugeborene nach der Geburt mit Einwilligung der Eltern getötet wurden, die Vorbereitungen, hierfür die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, nach massivem Druck anderer Krankenhäuser ähnlich verfahren zu dürfen. Siehe dazu die News vom 09.12.04: Tötung behinderter Neugeborener in Holland / Peter Singer in Heidelberg. Und auch in Belgien ist seit Februar 2014 Sterbehilfe für Kinder erlaubt.

Die Zulassung der aktiven Sterbehilfe, die anfangs nur für wenige Fälle unter ganz bestimmten Kriterien auf Entscheidung (meist älterer) Patienten vorgesehen war, wird so immer weiter ausgedehnt. Mittlerweile soll die Sterbehilfe in unserem Nachbarland auch auf Menschen ausgeweitet werden, die sich nicht mehr selbst äußern können, z.B. Altersdemente, Menschen mit geistiger Behinderung oder schwerstbehinderte Neugeborene.

Patientenverfügungen, Sterbehilfe und Organspende

In Belgien und mittlerweile auch anderen Ländern gibt es bereits erste Fälle, in denen Sterbehilfe gleich mit einer Organspende verbunden wurde. Was anfangs noch schockierte, wurde bereits mehrfach praktiziert. Dazu empfehle ich den langen aber sehr lesenswerten Artikel Carine, 43, lässt sich töten von Martina Keller, in DIE ZEIT Nr. 43, 20.10.2011 mit konkretem, ausführlichem Fallbeispiel. Das Beispiel macht deutlich wohin die Reise gehen kann. Relativ aktuell gibt es auch in der Schweiz Begehrlichkeiten nach dem „Rohstoff Mensch“ und seinen Organen im Falle von Sterbehilfe.

Auch in Deutschland gibt es einen zunehmenden „Organmangel“. Um dem Abzuhelfen soll bei Patientenverfügungen, in denen lebensverlängernde Maßnahmen ausgeschlossen werden, aber eine Organspende im Falle der medizinischen Möglichkeit zugestimmt wird, die Organspende künftig Vorrang haben. Denn für eine Entnahme lebensfrischer Organe sind intensivmedizinische Maßnahmen zwingend erforderlich.

Den wenigsten Menschen dürfte wohl klar sein, was die Zustimmung zu einer Organspende nach Feststellung des Hirntodes praktisch bedeutet. Dazu finden Sie ausführliche kritische Informationen auf unserem eigenen Infoportal www.organspende-aufklaerung.de zu Organspende, Transplantation und Hirntod.

In der Diskussion zum Thema Sterbehilfe stellen sich verschiedene Fragen, auf die keine leichten Antworten zu finden sind:

  • Fragezeichen - Einführung mit Fragen zum Thema Sterbehilfe und SuizidhilfeDarf ein Mensch sich anmaßen über das Lebensende eines Dritten zu bestimmen?
     
  • Gibt es ein „Recht auf den eigenen Tod“ durch die eigene Hand oder die Hand eines Dritten?
     
  • Welche Konsequenzen hat dieses vermeintliche Recht für unsere Gesellschaft?
     
  • Könnte aus dem „Recht zum Sterben“ nicht die Pflicht zum Sterben werden (Stichwort "Ballastexistenzen") z.B. wegen eines immer gravierenderen Kostenfaktors im Gesundheitswesen und in den Pflegeheimen?
     
  • Was hat die Situation in den Alten- und Pflegeheimen mit dem Wunsch nach aktiver Sterbehilfe oder Suizidbeihilfe zu tun?
     
  • Was ist „würdiges“ Sterben bzw. „unwürdiges“ Sterben und welche Vorstellungen habe ich selbst davon?
     
  • Gibt es eventuell Alternativen, die ein Sterben in Würde möglich machen, OHNE aktive Sterbehilfe oder Suizidbeihilfe leisten zu müssen?
     
  • Was ist gesetzlich erlaubt, was ist nicht erlaubt im Bezug auf „Sterbehilfe“ oder Suizidhilfe, welche Unterschiede gibt es, wo sind die Grenzen?
     
  • Was bietet die Palliativmedizin, Hospizarbeit, Sterbebegleitung für Alternativen für ein Sterben in Würde?
     
  • Ist ein Ruf nach „Lebenshilfe“ und „Sterbebegleitung“ nicht besser als ein Ruf nach „Sterbehilfe“, in dem Sinne, wie dieser Begriff allgemein in der Bedeutung besetzt ist?
     

Wenn man Betroffenen Alternativen wie palliativmedizinische Betreuung, Hospizarbeit und Sterbebegleitung aufzeigt, verhallen die Rufe nach aktiver Sterbehilfe oder Suizidhilfe sehr schnell. Denn vielfach steckt bei dem Wunsch nach einem schnellen Tod durch die eigene Hand oder die Hand eines Dritten die Angst vor einem qualvollen Sterben, einsam und verlassen irgendwo abgestellt, oder einer „Überversorgung“ durch Intensivmedizin, die ein Sterben nicht zulässt.

Orientierungshilfe: www.sterbehilfe-debatte.de

Wir möchten Ihnen mit diesem Informationsportal zur Sterbehilfe-Debatte die Möglichkeit geben, sich auf Ihre Art mit dem Thema Tod und Sterben auseinanderzusetzen und Ihnen dabei Informationen geben, die zeigen, dass auch ein Sterben in Würde möglich ist. So zum Beispiel durch Palliativmedizin, Hospizarbeit und Sterbebegleitung. Denn die vermeintliche „Sterbehilfe“ über die so oft diskutiert wird, bedeutet faktisch nichts anderes als Töten.

Das Motto „Nicht sterben durch die Hand eines anderen, sondern an der Hand eines anderen“ soll hier Denkanstöße bieten.

Ergänzende Informationen zum Thema Sterbehilfe und Suizidhilfe:

  • Blickpunkt Sterbehilfe
    I. Einführung und grundlegende begriffliche Unterscheidungen
    II. Zentrale Diskussionfelder
    III. Rechtliche Regelungen
    IV. Module.
    Zusammenstellung Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) (Stand März 2022)
     
  • PDF Begriffe der Sterbehilfe in Deutschland
    Begriffserklärung, zusammengestellt von der Deutschen Hospiz Stiftung
     

Positionen der (ehemaligen) InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik Deutschland zu Patientenverfügungen und Sterbehilfe

In den Grundpostionen der ehemaligen InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik Deutschland zu bioethischen Problemfeldern (siehe unten) heißt es zum Themenkomplex Sterben klar:

4. Die InteressenGemeinschaften treten als politische Lobby-Kraft auf für Menschen mit Behinderungen, Koma-Patienten, Alzheimer- und Demenzkranke. Sie richten ihr Augenmerk auch auf die zunehmenden Probleme der Pflegebedürftigen und die (fremdnützige) Forschung an nicht-einwilligungsfähigen Menschen.

5. Sie setzen sich ein für die Begleitung Sterbender mittels Palliativ-Medizin und Hospizarbeit. Auch irreversibel komatöse Patienten (sogenannte „Hirntote“) haben Anspruch auf liebevolle Sterbebegleitung.

6. In alternden Gesellschaften kommen in verschiedenen Ländern (z.B. Niederlande, Belgien, Schweiz, sowie im Europarat) Absichten zur Euthanasie auf. Die InteressenGemeinschaften stellen sich allen Versuchen, menschliches Leben aktiv zu beenden, grundsätzlich entgegen. Wir wollen eine „Kultur des Todes“ verhindern und die „Kultur des Lebens“ fördern.

7. Die InteressenGemeinschaften tragen zur kritischen Auseinandersetzung bei hinsichtlich Allokation sowie den sozialen Gefahren durch Patientenverfügungen, biometrische Entwicklungen, Keimbahnintervention und Patente auf Leben.

Inhalte dieser Seite

Auf dieser Themenseite des Infoportal Kritische Bioethik Deutschland finden Sie

  • in der Themen-Rubrik eine Übersicht zu den einzelnen Debatten
     
  • Neuigkeiten rund um das Thema Sterben und Tod,
     
  • unter Presseschau eine Zusammenstellung zum Thema in den Medien, die einen Überblick bietet über die aktuellen Diskussionen,
     
  • ergänzend Literatur / Bücher rund um das Thema Sterbebegleitung / Hospizarbeit contra Sterbehilfe / Euthanasie,
     
  • unter Adressen eine umfangreiche Sammlung an Kontaktstellen von Organisationen, Einrichtungen etc., die Ihnen weiterhelfen in konkreten Fragen zum Lebensende, insbesondere Adressen von Hospizvereinen und palliativmedizinischen Einrichtungen und Diensten.
     
  • Schließlich können Sie sich unter Kontakt auch direkt an uns wenden, wenn Sie Fragen haben. Wir werden versuchen, Ihnen weiterzuhelfen.
     

Ich hoffe, wir können Sie dazu ermutigen und anregen, sich mit dem Thema „Sterben in Würde“ auseinanderzusetzen und sich eventuell mit uns gemeinsam in die Debatte einzubringen. Für die Würde und den Schutz des Menschen in allen Phasen des Lebens.

Grundpositionen, Ziele und Arbeit

Wenn Sie mehr wissen wollen über die das allgemeine Infoportal Kritische Bioethik Deutschland, finden Sie unter www.kritischebioethik.de Informationen über unsere Ziele und Arbeit sowie ergänzend unsere Grundpositionen in bioethischen Problemfeldern.

gezeichnet

Christian Frodl
Webmaster www.sterbehilfe-debatte.de
Betreiber Infoportal Kritische Bioethik Deutschland

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