Hospiz- und Palliativversorgung

06.08.13, ergänzt am 27.08.13: Gegen normiertes Sterben: Linksfraktion im Deutschen Bundestag befragt Bundesregierung zu stationärer Palliativmedizin und Fallpauschalen

Ab 2014 soll die stationäre palliativmedizinische Versorgung verpflichtend über ein sogenanntes pauschalierendes Entgeltsystem der diagnosebezogenen Fallgruppen (Diagnosis Related Groups – DRG) finanziert werden. An diesem Abrechnungssystem regt sich seit geraumer Zeit in Fachkreisen Widerstand. Vor diesem Hintergrund hat die Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag am 23. Juli 2013 eine sogenannte „Kleine Anfrage“ an die Bundesregierung gestellt.

Wie die Fragesteller in ihrer Vorbemerkung ausführen, geht es in der der Palliativmedizin um die Linderung der körperlichen und psychischen Symptome einer immer weiter fortschreitenden Erkrankung bei Patientinnen und Patienten mit nur noch kurzer Lebenserwartung. Aufgrund der individuellen Krankheitsbilder sei die Behandlungsdauer schwer vorherzusagen. Dies könne dazu führen, dass Patienten früher entlassen werden, „als aus Gründen der Menschlichkeit geboten wäre“, so die Linken. Denn wenn nach Fallpauschalen abgerechnet werde, sei eine längere Verweildauer der Patienten für die Kliniken „wirtschaftlich nicht lukrativ“.

Linke wollen präzise Zahlen und Angaben über bisherige Erfahrungen

Die Abgeordneten bezweifeln daher, dass die vorgesehene Finanzierung der stationären Palliativmedizin über Fallpauschalen den Bedürfnissen der sterbenden Patienten gerecht werde und fordert von der Bundesregierung daher präzise Zahlen und Angaben über bisherige Erfahrungen.

Unter anderem wollen die Linken in 20 Einzelfragen konkrete Zahlen haben über die Ausgaben im Bereich der Palliativstationen in den letzten zehn Jahren und wie viel dieser Ausgaben durch Spendengelder aufgebracht werden. Des Weiteren wollen sie wissen, wie viele Patienten jährlich auf Palliativstationen versorgt werden, wie hoch dabei die Anzahl der Erst- und der Folgeverordnungen ist, und wie viele Menschen jährlich auf Palliativstationen in Deutschland versterben. Zudem interessiert die Linken welche Versorgungsalternativen zur stationären Versorgung von Palliativpatienten derzeit zur Verfügung stehen. Dazu, ob in diesen Bereichen „eine ausreichende und flächendeckende Versorgung“ gewährleistet ist.

Weiters fragen die Linke, wie „zielführend“ nach Ansicht der Bundesregierung „ein Entgeltsystem ist, welches nach Auffassung der Fragesteller diejenigen Palliativstationen wirtschaftlich bevorzugt, die eine möglichst kurze und wenig umfangreiche Palliativversorgung liefern.“ Auch möchten sie mit Begründung wissen, ob nach Ansicht der Bundesregierung die Anwendung von Grenzverweildauern in der palliativmedizinischen stationären Versorgung „mit dem Gebot der Menschlichkeit vereinbar“ ist.

Die Beantwortung der Fragen steht bislang noch aus. Normal hat die Bundesregierung dafür 14 Tage Zeit, kann aber auch eine Fristverlängerung beantragen, insbesondere mit Blick auf die Sommerurlaubszeit. Auf die Antworten darf man gespannt sein.

Ergänzung 27.08.13: Bundesregierung bestreitet Probleme durch Abrechnungssystem für Palliiatvistationen

Am 14. August hat die Bundesregierung nun ihre Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken vorgelegt. Seit kurzem ist diese online verfügbar.

Das Bundesministerium für Gesundheit stellt in der namens der Bundesregierung vorgelegten Antwort in der Vorbemerkung klar, dass es im Hinblick auf die Vergütung stationärer palliativmedizinischer Leistungen in jüngster Zeit „keine rechtlichen Neuregelungen“ gegeben habe. Insbesondere gebe es, anders als in der Vorbemerkung der Fragesteller dargestellt, keine gesetzliche Vorgabe für stationäre palliativmedizinische Einrichtungen, ab 2014 verpflichtend das DRG-Fallpauschalensystem anzuwenden. „Sie können daher auch im Jahr 2014 als Besondere Einrichtungen vom Fallpauschalensystem ausgenommen werden“, betonte die Bundesregierung.

Allerdings werde die Vergütung als Besondere Einrichtung schon seit Jahren nur von einem geringen Teil aller Palliativeinrichtungen praktiziert. Die deutliche Mehrheit der Krankenhäuser mit palliativmedizinischer Leistungserbringung rechne ihre Leistungen im Rahmen des DRG-Vergütungssystems mit diagnosebezogenen Fallpauschalen und ergänzenden Zusatzentgelten ab. „Das deutsche Fallpauschalensystem berücksichtigt differenziert aufwandsbeeinflussende Patientenkriterien. Dies ermöglicht auch für hochaufwändige medizinische Leistungen aufwandsgerechte Vergütungen, so dass die Vergütungssystematik keine vorzeitigen Entlassungen schwerkranker Menschen begründet“, so die Bundesregierung.

Kernfrage Anwendung von Grenzverweildauern in der palliativmedizinischen stationären Versorgung

Zur Kernfrage, ob nach Ansicht der Bundesregierung die Anwendung von Grenzverweildauern in der palliativmedizinischen stationären Versorgung „mit dem Gebot der Menschlichkeit vereinbar“ sind, antwortet die Bundesregierung: „Die obere Grenzverweildauer gibt im Fallpauschalensystem den Tag an, ab dem ein Krankenhaus neben der Fallpauschale ein zusätzliches tagesbezogenes Entgelt abrechnen kann. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass Patientinnen und Patienten mit langen Verweildauern überdurchschnittlich hohen Aufwand im Krankenhaus verursachen. Die Zahlung zusätzlicher Entgelte bei Überschreitung der oberen Grenzverweildauer ist daher sachgerecht und mit dem Gebot der Menschlichkeit vereinbar.“

Das Fallpauschalensystem bevorzuge auch nicht Palliativstationen mit einer möglichst kurzen und wenig umfangreichen Versorgung. Vielmehr setze es laut Bundesregierung „Anreize für eine gute palliativmedizinische Versorgung“. So könnten Kliniken nur dann ein Zusatzentgelt abrechnen, wenn die Behandlung bestimmte Mindestmerkmale erfülle.

Zunehmend verbesserte Versorgung schwer kranker Patienten in der Palliativmedizin

Die Bundesregierung betonte weiter, dass die Versorgung schwer kranker Patienten in der Palliativmedizin in den zurückliegenden Jahren besser geworden sei. Versicherte hätten seit 2007 einen Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativbetreuung. Diese Leistung solle den Patienten mit einem besonderen Versorgungsbedarf ermöglichen, im häuslichen Umfeld zu sterben. Nach anfänglichen „Umsetzungsschwierigkeiten“ könne mittlerweile von einer „relativ guten Versorgungslage“ ausgegangen werden.

In den Fachabteilungen für Palliativmedizin der Krankenhäuser wurden laut Statistischem Bundesamt und DRG-Statistik im Jahre 2011 insgesamt 27.534 Patienten behandelt. Davon starben 13.592 Patienten in den Kliniken. Bei 10.899 wurde die Behandlung regulär beendet, 430 wurden in ein anderes Krankenhaus verlegt. 84 kamen in eine Rehabilitationseinrichtung und 807 in eine Pflegeeinrichtung, sowie 1500 in ein Hospiz. Die restlichen 147 Patienten fielen unter „sonstigen Entlassungs/-Verlegungsgrund“. Die durchschnittliche Verweildauer von vollstationär behandelten Kranken in Palliativabteilungen von DRG-Krankenhäusern betrug im Jahr 2011 9,8 Tage.

Weiterführende Informationen Palliativmedizin und Fallpauschalen

  • Stationäre Palliativmedizin und Fallpauschalen
    Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Senger-Schäfer, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 17/14449 vom 23.07.13
    Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
    Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/14554, 14.08.2013 (8 Seiten, PDF-Format)

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