14.12.18: Kritik an neuem Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen: Trauer ist keine Störung

14.12.18: Kritik an neuem Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen: Trauer ist keine Störung

Symbolbild TrauerDerzeit wird die internationale Klassifizierung der Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) neu bearbeitet.

Im WHO-Entwurf für die neue elfte Version ihres Klassifikationssystems für medizinische Diagnosen (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, kurz ICD-11) ist als neue Kategorie 6B42 die „Anhaltende Trauerstörung“ vorgesehen. Die ICD-11 soll im nächsten Jahr auf der Weltgesundheitsversammlung verabschiedet werden und ab Januar 2022 gelten.

Vor diesem Hintergrund wendet sich der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) in einer am 12.12.18 veröffentlichten Stellungnahme gegen Bestrebungen, die Diagnose „Anhaltende Trauerstörung“ (Prolonged grief disorder) in die internationale Klassifizierung der Krankheiten aufzunehmen.

Bei Einführung dieser Diagnose bestehe die Gefahr, die Trauer insgesamt wieder als „Störung“ wahrzunehmen sowie den Trauerprozess zeitlich zu normieren, erklärte der DHPV in einer Pressemitteilung. Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. ist seit 1992 die bundesweite Interessenvertretung der Hospizbewegung sowie zahlreicher Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland.

Besser: „Belastungsstörung nach Verlust“

„Grundsätzlich ist die Einführung einer Diagnose, die es Menschen ermöglicht, bei einem Verlust auch psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen zu können, sehr zu begrüßen“, so Professor Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV. „Hier von einer Störung zu sprechen, läuft allerdings einem positiven Verständnis von Trauer zuwider.“

Der DHPV schlägt stattdessen den Begriff „Belastungsstörung nach Verlust“ (Post-loss stress disorder) vor. Diese Formulierung trage zum einen der Tatsache Rechnung, dass es auch Verlusterfahrungen gibt, die therapeutische Hilfe notwendig machen. Vor allem aber berücksichtige er die Bemühungen und Erfolge der letzten Jahrzehnte, eine neue Kultur der Trauer zu etablieren.

„Gerade im Deutschland der Nachkriegszeit war es ein weiter Weg hin zu einem Verständnis von Trauer als Prozess, der grundsätzlich sinnvoll und positiv ist und seine Zeit braucht“, so Kläre Winhuysen, Leiterin der Fachgruppe Trauer des DHPV. „Diese Entwicklung ist mit der geplanten Bezeichnung in der ICD-11 in Gefahr.“

Ergänzende Informationen

PDFStellungnahme für eine Kultur der Trauer und für die Anwendung des Begriffes „Belastungsstörung nach Verlust“ in der ICD-11 6B42 zur Abwendung von unerträglichem Leid in Folge eines Verlustes
Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V., 12.12.18 (4 Seiten im PDF-Format)