menschenwürdige Pflege contra Sterbehilfe

05.03.21: STERN-Pflege-Petition: Gesundheitsreform für eine bessere Pflege zum Schutz der Pflegebedürftigen

05.03.21: STERN-Pflege-Petition: Gesundheitsreform für eine bessere Pflege zum Schutz der Pflegebedürftigen

Stern-Aktion Pflege-PetitionAm 11.11.2020 startete der STERN-Journalist Dr. Bernhard Albrecht eine Pflege-Petition für eine Gesundheitsreform für eine bessere Pflege zum Schutz der Pflegebedürftigen.

Konkrete Forderungen sind mehr Zeit für PatientInnen, verlässliche Arbeitszeiten, eine Entlastung von Bürokratie, Personalschlüssel nach echtem Bedarf und sofortiges Handeln bei Unterbesetzung. Des Weiteren geht es um eine Aufwertung des Berufsbildes, konkret durch höhere Gehälter, Zulagen und Entlohnung von Weiterqualifizierung, mehr Entscheidungsmöglichkeiten an PatientInnen und bessere Karrierechancen. Schließlich fordert die Petition eine konsequente Abkehr von Profitdenken und ökonomischen Fehlanreizen durch eine Gesundheitsreform.

Breites Unterstützer-Bündnis

Am 14.01.21 startete die Online-Petition auf der Webseite des Deutschen Bundestages. Das Anliegen wurde ab da vom Wochenmagazin STERN mit einer umfangreichen Kampagne unterstützt. Zwischenzeitlich beteiligten sich an der STERN Pflege-Petition bereits viele der wichtigsten Organisationen und Verbände aus dem medizinischen und pflegerischen Bereich.

Unterstützer der Petition sind unter anderen das Aktionsbündnis Patientensicherheit APS, die BAG Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V., der Berufsverband der Deutschen Chirurgen BDC und die Bundesarbeitsgemeinschaft Patient*innen BAGP und der Deutsche Berufsverband für Pflegekräfte DBfK.

Weitere Unterstützer sind die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie DGCH (Vorstand), die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin DGIM, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde DGKJ, die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Intensivmedizin DIVI, der Deutsche Pflegerat, die Vereinigung IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges sowie die Robert Bosch-Stiftung, die Stiftung Humor hilft heilen und der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte VDÄÄ. Außerdem diverse prominente namentliche UnterstützerInnen.

Vierteilige Heftreihe und InfluencerInnen-Kampagne

STERN-Titelcover 14.01.21 zur Pflege-PetitionIn einer vierteiligen Heftreihe zeichnete ein Autorenteam um Dr. Bernhard Albrecht ein genaues Bild vom Zustand der Pflege in Deutschland. Auftakt war am 14. Januar 2021 die Titelgeschichte „Mensch vor Profit. Für eine Pflege in Würde“ mit einem Bericht über die Situation der Krankenhauspflege. In den darauffolgenden Wochen (Ausgaben 4/2020 bis 6/2020) folgten Reportagen über Pflegeheime, ambulante Pflegedienste und die ewige Frage, wie bessere Pflege finanziert werden kann.

Unter dem Hashtag #pflegepetition startete der STERN eine InfluencerInnenkampagne, die im Netz für die Aktion wirbt und UnterstützerInnen gewinnen sollte. In vielen Einzelinterviews erzählten PflegerInnen aus ihrem Arbeitsalltag und erklärten, warum eine Veränderung dringend notwendig ist.

Zahlreiche Prominente wie Dr. Yael Adler, Micky Beisenherz, Jim Bøy (@JIMBOY27), Katja Burkard, Elke Heidenreich, Dr. Eckart von Hirschhausen, Hannes Jaenicke, Guido Maria Kretschmer, Franziska Rubin, Tobias Schlegl, Günter Wallraff und Ulrich Wickert unterstützen die Aktion.

Über 328.000 Menschen für eine bessere Pflege

Bis zum Ablauf der Online-Mitzeichnungfrist am 11. Februar 2021 haben mehr als 328.000 Menschen für eine bessere Pflege unterschrieben wie sich am 01.03. nach längerer Auszählung herausstellte. Es war damit laut Bundestag die bis dato erfolgreichste Online-Petition in der Geschichte des Petitionsausschusses des Bundestages mit 206.667 Online-Mitzeichnungen und 121.554 UnterzeichnerInnen auf entsprechenden Listen, die das Anliegen „analog“ unterstützten.

Mehr als eine Viertelmillion Unterschriften übergab Petent und STERN-Autor Dr. Bernhard Albrecht am 11.02.21 bei einem offiziellen Termin an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Entgegen genommen wurden die Listen von Vertretern des Petitionsausschusses, darunter Vorsitzender Marian Wendt (CDU/CSU), die stellvertretende Ausschussvorsitzende Martina Stamm-Fibich (SPD), die Obfrauen Kerstin Kassner (Die Linke) und Corinna Rüffer (Bündnis 90/ Die Grünen) sowie Obmann Manfred Todtenhausen (FDP), teilte der STERN in einer Presseaussendung mit. Der erste Etappensieg war damit dem Wochenmagazin gelungen.

„Wir haben eine gewaltige Öffentlichkeit für die Forderungen hinter uns. Jetzt aber ist die Verantwortung groß: Die Menschen da draußen erwarten, dass sich nach Jahrzehnten des Stillstands was tut, dass endlich ein Systemwechsel eingeleitet wird“, erklärte Albrecht zur Übergabe.

Politik muss sich dem Thema Pflege annehmen

Für Marian Wendt, CDU, Vorsitzender des Petitionsausschusses ist die Petition „ein Ausdruck von bürgerschaftlichem Engagement, von Menschen, die sich gerade für das Thema Pflege interessieren.“ Dass sich die Politik dieses Themas weiter sehr stark annehmen muss, sei „ganz klar.“ Er freute sich über die Petition. „ Jeder fragt sich: Werden meine Angehörigen gut versorgt? Werde ich mal gut versorgt? Deswegen will man jetzt etwas tun, um auch die Situation perspektivisch zu verbessern. Dahinter stehen viele, die sagen, die Pfleger leisten einen so tollen Job, gerade im ersten Lockdown.“

Martina Stamm-Fibich, SPD, stellvertretende Ausschussvorsitzende und Mitglied im Gesundheitsausschuss erklärte: „Die vielen Unterstützerinnen und Unterstützer der Petition verdeutlichen das große Interesse an der Pflege und zeigen, welchen Stellenwert die Pflege und eine gute Gesundheitsversorgung in unserem Land haben.“

Das Thema Pflege berühre sehr viele Menschen. Diejenigen, die in der Pflege und in deren Umfeld tätig sind, wüssten, dass es Veränderungen braucht. „Und diejenigen, die selbst auf Pflege angewiesen sind, möchten, dass ordentliche Arbeitsbedingungen herrschen und die Finanzierung gesichert ist. Dieses System mit Stückwerk zu reparieren, wie bislang geschehen, wird nicht funktionieren. Mit der Petition zeigt sich der tiefe Wunsch, dass grundsätzliche Veränderungen folgen müssen. Und deshalb freue ich mich auf die Diskussionen Anfang März“, so Stamm-Fibich.

Dank des mehr als deutlich überschrittenen nötigen Quorums von 50.000 Unterstützern innerhalb von vier Wochen wurden die Forderungen der Pflege-Petition am 01.03.21 in einer öffentlichen Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags in Berlin diskutiert.

Anhörung zur Pflege-Petition im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages am 01.03.2021

Zu den Anwesenden zählte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, neben weiteren Regierungsvertretern und den Mitgliedern des Ausschusses. Der Arzt, STERN-Reporter und Petent Dr. Bernhard Albrecht führte die einzelnen Forderungen der Petition vor dem Gremium aus und begründete, warum es jetzt einen Systemwechsel im Gesundheitswesen braucht. Begleitet wurde Albrecht von Dr. Bernadette Klapper, Bereichsleiterin Gesundheit bei der Robert-Bosch-Stiftung und gelernte Pflegekraft, die gemeinsam mit ihm die Fragen der TeilnehmerInnen beantwortete.

In seinem Eingangsstatement verglich Dr. Albrecht das Gesundheitswesen mit einem Auto. „Das Personal ist der Treibstoff. Die meisten Bemühungen – auch die Konzertierte Aktion Pflege – laufen darauf hinaus, mehr Personal, also mehr Treibstoff zu beschaffen. Anstatt zu überlegen, ob der Verbrennungsmotor das Problem ist. Hinzu kommt: Steigende Fallzahlen bei immer weniger Pflegekräften machen das Auto schwerer, bei sinkender PS-Zahl. Das kann nicht funktionieren“, so Albrecht.

„Abwesenheit von Pflege kann tödlich sein. Was Pflegekräfte leisten, wird fatal unterschätzt. Sie haben einen geschulten diagnostischen Blick. Doch sie brauchen Zeit. Die fehlt“, warnte er. Verbindliche Personalschlüssel seien jetzt am wichtigsten. Sonst gebe es bald kein Personal mehr zu verteilen. „Ein Drittel aller Pflegekräfte überlegt aktuell laut einer Umfrage, auszusteigen. Wir brauchen einen Systemwechsel, weil es keine Insellösung für die Pflege gibt. In einem werteorientierten Gesundheitswesen gilt: Patienten- und Bewohnersicherheit first“, so Albrecht.

Voller Wasserstrahl auf den heißen Stein

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn entgegnete dem während der Anhörung mit einem anderen Vergleich. „Wir haben den Eindruck, wir sind mit dem vollen Wasserstrahl auf das Problem. Und diejenigen in der Pflege haben das Gefühl, das sind bis jetzt nur Tropfen auf den heißen Stein. Das ist das Problem von: hier begonnen und noch nicht überall angekommen. Wir sind dran – und da lege ich Wert drauf – nicht nur in Wort, sondern auch in Tat“, versprach Spahn. In Bezug auf den Gesetzentwurf zur Pflege sagte Spahn, dieser sei „fast fertig“. Er erläuterte dazu, der Eigenanteil der Heimbewohner solle gedeckelt werden und Heime gleichzeitig nur noch Geld von der Pflegeversicherung bekommen, wenn sie Tariflohn bezahlen.

Nun steht noch ein abschließendes Votum zur Pflege-Petition aus. Das werde der Ausschuss in einer seiner späteren Sitzungen abgeben.

Ein Mitschnitt der Anhörung ist in der Mediathek des Deutschen Bundestags abrufbar. Dort ab Stunde 01:02. Ergänzend gibt es einen Kurzbericht.

Ergänzende Informationen zur Pflege-Petition

STERN-Kampagnenseite zur Pflegepetition

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