24.10.08: Zweiter Gruppenantrag zur Regelung von Patientenverfügungen vorgestellt
In die Debatte um Patientenverfügungen haben die Abgeordneten Wolfgang Bosbach (CDU/CSU), Katrin Göhring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), René Röspel (SPD) und Otto Fricke (FDP) einen neuen gemeinsamen Gesetzwurf vorgestellt. „Ziel unseres gemeinsamen Gesetzentwurfs ist es, das Selbstbestimmungsrecht und das Patientenwohl auch in Situationen zu stärken, in denen der Patient das Bewusstsein verloren hat und darum keine eigene Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch einer medizinischen Behandlung mehr treffen kann. Dazu werden die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht gesetzlich geregelt“, erklärten die Abgeordneten in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 21.10.08. Bisher gibt es kein Gesetz, das den Umgang mit einer solchen Patientenverfügung regelt.
Der neue Gesetzentwurf zur Verankerung der Patientenverfügung im Betreuungsrecht sieht ein Zwei-Stufen-Konzept vor. In einer Patientenverfügung getroffene Anordnungen über Art und Umfang der Behandlung sind demnach nach Verlust der Einwilligungsfähigkeit grundsätzlich verbindlich. Auch der Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung kann unabhängig vom Stadium der Erkrankung in einer notariell beurkundeten Patientenverfügung verbindlich angeordnet werden, der eine umfassende ärztliche Beratung vorausgeht. Eine solche Patientenverfügung muss alle fünf Jahre bestätigt werden. In einer einfachen Patientenverfügung, ohne vorherige Beratung und Beurkundung, ist die Anordnung eines Behandlungsabbruchs nur verbindlich, wenn eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit oder ein Fall endgültigen Bewusstseinsverlusts vorliegt.
Unterstützung von etwa 50 Abgeordneten
Anders als der vor der Sommerpause von einer anderen Gruppe von Abgeordneten im Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf lehnt dieser Entwurf eine Pflicht zum Abbruch lebenserhaltender Behandlungen unabhängig vom Stadium einer Erkrankung ab, wenn der Patientenverfügung keine ärztliche Beratung vorausgeht. „Lebensschutz und ärztliche Sorge für das Patientenwohl werden gewahrt durch die ärztliche und notarielle Aufklärung vor der Errichtung einer qualifizierten Patientenverfügung bzw. bei einfachen Patientenverfügungen ohne Beratung durch die Beschränkung der Verbindlichkeit auf bestimmte Krankheitsstadien“, so die Initiatoren. Der Gesetzentwurf soll nun im November den Abgeordneten vorgestellt und dann als fraktionsübergreifender Gruppenantrag im Bundestag eingebracht werden. Bislang wird er von etwa 50 Abgeordneten unterstützt.
Am 26.06.2008 hat der Deutsche Bundestag bereits in erster Lesung über einen ersten fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur Regelung von Patientenverfügungen beraten (siehe das Themenspecial vom 28.06.2008). Verfasst wurde der Gesetzentwurf federführend vom SPD-Rechtsexperten Joachim Stünker sowie von Michael Kauch (FDP), Dr. Luc Jochimsen (Die Linke) und Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen). Der eingebrachte Gesetzentwurf betont ebenfalls das Selbstbestimmungsrecht des Patienten sieht jedoch vor, dass die vorab verfasste Willenserklärung eines Patienten grundsätzlich verbindlich sein soll, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Nur bei Zweifeln über den Patientenwillen oder Missbrauchsverdacht soll das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden. Äußert der Patient Lebenswillen, so soll eine auf Nichteinleitung oder Behandlungsabbruch gerichtete frühere Verfügung nicht wirksam sein.
Gemischte Reaktionen zum zweiten Gesetzentwurf zu Patientenverfügungen
Die Deutsche Hospiz Stiftung begrüßte in einer Presseerklärung den nun vorgelegten zweiten Gesetzentwurf um Bosbach als „einen großen Schritt in die richtige Richtung“. Besonders positiv sei, dass Beratungsgesprächen ein hoher Stellenwert eingeräumt werde. Dennoch gebe es noch einiges nachzuarbeiten. So z.B in Bezug auf die notarielle Beglaubigung und die damit für die Patienten verbundenen Kosten. Nachbesserungsbedarf bestehe auch bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens. Für den Fall, dass keine bzw. keine valide Patientenverfügung vorliegt, nennt der Entwurf konkrete Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen. Das sei begrüßenswert. Was hingegen fehle, sei ein eindeutiges Verfahren, das vorschreibt, wer dazu zu befragen ist, erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung Eugen Brysch. Seine Organisation habe dazu bereits eindeutige Vorschläge gemacht.
Auch der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) begrüßten in einer Pressemitteilung vom 22.10.08, dass mit diesem Gesetzentwurf die Reichweite für Patientenverfügungen gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Fassung erweitert wurde. Allerdings sehen beide Organisationen in den nach diesem Gesetz notwendig werdenden Voraussetzungen große Hürden für Menschen, die eine Patientenverfügung verfassen möchten. Insbesondere in der in fünfjährigem Abstand für einen großen Teil der Patientenverfügungen notwendig werdenden notariellen Beurkundung. Diese werden nach Meinung des DHPV und der DGP dem Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, besonders älteren Menschen, nicht gerecht. Eine gesetzliche Regelung zu Patientenverfügungen solle sich daran orientieren, ob in Grenzsituationen der Dialog aller an der Entscheidungsfindung Beteiligten gefördert wird.