22.06.07: Debatte um Patientenverfügungen: Dritter überfraktioneller Gesetzentwurf vorgelegt
In die Debatte über die Regelung von Patientenverfügungen ist erneut Bewegung gekommen. Am 19. Juni 2007 haben Vertreter der Fraktionen von SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur gesetzlichen Verankerung der Patientenverfügung vorgestellt. Damit liegt nun ein Dritter Entwurf zu diesem Themenkomplex vor.
In einer gemeinsamen Presseaussendung teilten die Mitglieder des Bundestages Joachim Stünker (SPD), Michael Kauch (FDP), Dr. Luc Jochimsen (Die Linke) und Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen) mit, das Ziel der jüngsten Vorlage sei mehr Selbstbestimmung für die Patienten. Der Gesetzentwurf stärke die Verbindlichkeit der Verfügungen, lehne eine Reichweitenbeschränkung ab und begrenze die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes.
Das Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper gehöre zum Kernbereich der durch die Verfassung geschützten Würde und Freiheit des Menschen. Deshalb müsse jeder entscheidungsfähige Patient vor einer ärztlichen Maßnahme seine Einwilligung erteilen. Ein ärztlicher Eingriff ohne Einwilligung des Patienten stelle eine Körperverletzung dar. Das Selbstbestimmungsrecht ende nicht mit Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit. Der Gesetzentwurf differenziere daher nicht nach Art und Stadium der Erkrankung. Wer das Selbstbestimmungsrecht ernst nehme, müsse dem Patienten für jede Krankheitsphase die Entscheidung über Einleitung und Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme überlassen, so die Abgeordneten.
Der Gesetzentwurf sehe deshalb vor, dass konkrete und situationsbezogene Behandlungsfestlegungen in einer Patientenverfügung als bindend anerkannt würden. Des Weiteren, dass der Patientenwille in allen Stadien einer Erkrankung beachtet werde. Nur bei Zweifeln über den Patientenwillen oder Missbrauchsverdacht müsse das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden. Wichtig sei aber auch, dass die Anwendbarkeit einer im Voraus verfassten Verfügung daraufhin überprüft werde, ob sie dem aktuellen Willen entspreche. Äußere der Patient Lebenswillen, so solle eine auf Nichteinleitung oder Behandlungsabbruch gerichtete Verfügung nicht wirksam sein. Bereits 75 Abgeordnete haben diesen Gesetzentwurf unterschrieben.
Kritik der Deutschen Hospiz Stiftung am Gesetzentwurf zu Patientenverfügungen
Die Deutsche Hospiz Stiftung beurteilte den Gesetzentwurf zu Patientenverfügungen in einer Stellungnahme kritisch. „Allein der Verzicht auf eine verfassungsrechtlich bedenkliche Reichweitenbeschränkung gewährleistet nicht, dass Patientenautonomie und Patientenschutz sinnvoll miteinander in Einklang gebracht werden“, erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Das Papier bedürfe in zentralen Aspekten der Nachbesserung. Gerade die Frage nach Aufklärung und Beratung regle der Entwurf der Gruppe um Stünker nicht.
„Ein künftiges Patientenverfügungsgesetz wird sich allerdings daran messen lassen müssen, wie es sicherstellt, dass eine Patientenverfügung tatsächlich Ausdruck der informierten Entscheidung des Betroffenen ist“, gab Brysch zu bedenken. In der Frage der Ermittlung des mutmaßlichen Willens stelle dieser interfraktionelle Entwurf zwar einen Schritt nach vorne dar, jedoch gebe es auch hier Unklarheiten.
Zwei weitere Gesetzentwürfe zu Patietenverfügungen
Vor kurzem haben die Abgeordneten Hans Georg Faust (CDU) und Wolfgang Zöller (CSU) ebenfalls einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach Verfügungen zwar in jedem Fall verbindlich sein sollen, Arzt und Betreuer aber in jedem Einzelfall prüfen müssen, ob der schriftlich fixierte Wille mit dem aktuellen Zustand des nicht äußerungsfähigen Patienten übereinstimmt. Ein weiterer Gesetzentwurf der Gruppe Wolfgang Bosbach (CDU/CSU), René Röspel (SPD), Josef Winkler (DIE GRÜNEN) und Otto Fricke (FDP) sieht dagegen eine Reichweitenbeschränkung auf unumkehrbar tödliche Fälle vor.
Am 29. März 2007 gab es im Deutschen Bundestag bereits eine dreistündige Auftaktdebatte über die gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen. Nun sollen die Abgeordneten demnächst bei aufgehobenem Fraktionszwang über die Gesetzentwürfe abstimmen. Ein genauer Termin ist allerdings noch nicht bekannt.
Ergänzende Informationen:
- Neuer Gesetzentwurf stärkt Selbstbestimmung der Patienten
Barbara Junge
Berlin – In vom Fraktionszwang entbundener Entscheidung sollen die 613 Abgeordneten des Bundestages wohl noch in diesem Jahr beschließen, wie viel Selbstbestimmungsrecht über das eigene Sterben einem Menschen gegeben werden soll.
TAGESSPIEGEL 19.06.07
- Stellungnahmen der Deutschen Hospiz Stiftung zu den drei Gesetzesvorlagen zur Patientenverfügung
- Themenspecial vom 30.03.2007: Auftaktdebatte über gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen