04.12.08: Nach mehrfacher Suizidbegleitung: Razzien bei Hamburger Sterbehelfer Kusch

04.12.08: Nach mehrfacher Suizidbegleitung: Razzien bei Hamburger Sterbehelfer Kusch

Nach mittlerweile fünf so genannten „Suizidbegleitungen“ durch den ehemaligen Hamburger Justizsenator Dr. Roger Kusch durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft vergangene Woche gleich zweimal seine Wohn- und Büroräume. Dabei beschlagnahmten sie diverse schriftlichen Unterlagen und Computer-Dateien in Zusammenhang mit seinen Aktivitäten. Ermittelt werde Medienberichten zufolge von Seiten der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetzes. Zuvor hatte sich herausgestellt, dass eine von Kusch beim Suizid begleitete 84-jährige Rentnerin aus Hamburg durch eine Überdosis eines verschreibungspflichtigen Malariamittels starb.

Die zweite Durchsuchung erfolgte am 29.11.2008 auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Duisburg, nachdem ein Tag zuvor eine 97-jährige Frau von Kusch in einem Hotelzimmer in Mühlheim / Ruhr beim Suizid „begleitet“ wurde. Ursprünglich wollte die Frau laut Kusch in ihrer Wohnung in Bergisch-Gladbach aus dem Leben scheiden. Der Umzug in das Hotel sei notwendig geworden, da bei der Razzia bei ihm am Tag zuvor bei den Unterlagen auch Informationen zu dem geplanten Suizid beschlagnahmt worden seien.

Bei den Durchsuchungen seien der Polizei auch die Namen der Personen bekannt geworden, die sich in den letzten Monaten aus ganz Deutschland persönlich an ihn mit der Bitte um Suizidbegleitung gewandt haben. Laut einem Bericht der Welt online vom 02.12.08 wurden die Daten nun an die verschiedenen Bundesländer weitergegeben, um die Sterbewilligen aufzusuchen und „Gefahren abzuwehren“.

Kommerzialisierung der Sterbehilfe verbieten

Die Deutsche Hospiz Stiftung warf Kusch unterdessen mangelndes Unrechtsbewusstsein vor. Sein Handeln lasse keine objektiven Maßstäbe erkennen, erklärte der Geschäftsführer der Stiftung, Eugen Brysch, am 02.12.08 gegenüber den Medien. Er forderte die Politik auf, die Kommerzialisierung der Sterbehilfe zu verbieten.

Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, forderte ein schnelles Handeln von Seiten der Politik. Der Staat dürfe sich nicht von Leuten, die aus der Lebensangst von Menschen ein Geschäft machen, „auf der Nase herumtanzen“ lassen, so Bosbach in einer Pressemitteilung vom 1. Dezember. Die seit über zwei Jahren im Bundesrat von der SPD aufgehaltene Initiative der Länder Saarland, Thüringen und Hessen, die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe zu stellen, müsse unverzüglich Gesetz werden. Er forderte die SPD im Bundesrat und Bundestag auf, die Initiative der Länder nicht länger zu blockieren.

Ergänzende Informationen:

  • Fall Kusch: Behörden geben sensible Daten weiter
    Von Oliver Schirg
    Bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmte Adressen wurden an andere Bundesländer übermittelt – Polizei spricht von Gefahrenabwehr
    WELT Online 03.12.08
     
  • Der Todbringende
    Elegant, kultiviert – und ein Mörder? Eiskalt, gefühllos – aber ein Erlöser? Hilft er Leidenden aus ihrer Not? Oder will er nur Geld verdienen? Der Sterbehelfer Roger Kusch ist ein komplizierter Mensch. Eine Begegnung.
    Von Wolfgang Prosinger, Hamburg
    TAGESSPIEGEL 30.11.08

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