12.07.09: Schweiz: Oberstaatsanwaltschaft Zürich und Sterbehilfeorganisation Exit unterzeichnen Vereinbarungen zu Suizidbeihilfe

12.07.09: Schweiz: Oberstaatsanwaltschaft Zürich und Sterbehilfeorganisation Exit unterzeichnen Vereinbarungen zu Suizidbeihilfe

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat erstmals mit der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Exit eine Vereinbarung über Standesregeln bei der organisierten Suizidhilfe getroffen. Die entsprechenden Vereinbarungen wurden von beiden Seiten am 7. Juli 2009 unterzeichnet, teilte die Oberstaatsanwaltschaft am 10.07.09 in einer Presserklärung mit. Mit der Vereinbarung solle Transparenz geschaffen werden und Exit unterziehe sich dieser Regelung freiwillig, so die Behörde.

Als Grundlage der Übereinkunft dienen demnach neben Straf- und Heilmittelgesetzgebung und Rechtsprechung die Richtlinien der Nationalen Ethikkommission und der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften.

In dem Papier geht es um Art und Weise der Durchführung der Suizidbegleitung, vor allem bezüglich Prüfung, Klärung und Dokumentation der Voraussetzungen für eine Begleitung. Die ausschließliche Verwendung eines bestimmten Medikamentes als Sterbemittel sowie der Umgang damit wird ebenfalls festgehalten. Exit darf keinen Gewinn anstreben und verpflichtet sich zur Offenlegung und Transparenz hinsichtlich Organisation und finanzieller Mittel.

Die Oberstaatsanwaltschaft bestätige mit der Unterzeichnung lediglich die ordnungsgemäße Durchführung der in solchen Fällen gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchung. Insbesondere würden allfällige ordentliche Strafverfahren nicht tangiert, betonte die Justizbehörde. Die Einhaltung der Vereinbarung durch Exit erleichtere den Strafverfolgungsbehörden die Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben.

Jährlich ca. 200 Suizidbegleitungen im Kanton Zürich

Im Kanton Zürich werden laut Oberstaatsanwaltschaft jährlich ca. 200 Suizidbegleitungen durchgeführt, davon rund ein Drittel durch Exit. Angesichts der Anzahl der Freitodbegleitungen bestehe im Kanton Zürich ein großes Interesse an einer klaren und transparenten Regelung. Das Strafgesetzbuch regle die Kriterien, gemäß welchen Suizidhilfe nicht strafbar ist, nur marginal. Mit einem wegweisenden Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahre 2006 seien sie indessen teilweise konkretisiert worden. Weiter haben die Nationale Ethikkommission und die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften dafür Richtlinien erlassen. Eine weitergehende, präzisierendere Reglung auf eidgenössischer Ebene sei nicht in Sicht, hieß es in der Mitteilung.

Der Zürcher Regierungsrat habe sich deshalb mit Beschluss vom 14. März 2007 dafür ausgesprochen, mit den Suizidhilfeorganisationen im Kanton Zürich einvernehmlich Standesregeln abzusprechen. Die Organisationen sollen sich diesen freiwillig unterziehen können. Die Standesregeln seien als Zwischenschritt bis zur Einführung einer gesetzlichen Regelung gedacht. Der Regierungsrat wie auch Exit werden sich weiterhin beim eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement für eine nationale gesetzliche Regelung einsetzen, hieß es abschließend in der Mitteilung.

Exit erklärte Medienberichten zufolge, die Vereinbarung verändere nicht die Aktivitäten der Organisation, sondern formalisiere sie lediglich. Die auch in Deutschland vertretene Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas hat die Vereinbarung dagegen nicht unterzeichnet, da die Richtlinien gegen seine Organisation gerichtet seien, erklärte Dignitas-Präsident Ludwig A. Minelli bereits vor einiger Zeit.

Kritik an Vereinbarungen zu Suizidbeihilfe: „Ordnungsgemäße Durchführung“ von Tötungen verhindern

Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte die Schweizer Vereinbarungen zu Suizidbeihilfe. „Patientenschutz und organisierte Suizidbeihilfe schließen sich grundsätzlich aus. Nur ein Verbot heißt, sich konsequent auf die Seite der Schwerstkranken und Sterbenden zu stellen. Wer glaubt, etwas zu regeln, was nicht zu regeln ist, gibt sich den Anstrich der Rechtschaffenheit, legitimiert aber Menschenverachtung“, erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, in einer Pressemitteilung vom 10.07.09.

„Regeln und Kategorien für das Töten, so wie darin detailliert aufgelistet, kann es nicht geben. Schon die Wortwahl der Unterzeichner ist entlarvend: Es gehe ihnen um eine „ordnungsgemäße Durchführung“ der Untersuchung von Tötungen, sagen sie. Das ist zynisch“, erklärte Brysch. „Wenn jetzt nicht der Bundesrat und das Parlament einschreiten und die organisierte Suizidbeihilfe in der Schweiz endlich verbieten, rutscht das Land vollends ab in ein dunkles Zeitalter, in dem zwischen lebenswert und nicht lebenswert unterschieden wird“, warnte er.

Organisierte Suizidhilfe sei keine Ergänzung oder Fortführung von Sterbebegleitung, sondern die „Entsolidarisierung von schwerstkranken und sterbenden Menschen, die Angst haben, anderen zur Last zu fallen,“ erklärte Brysch. Er warnte, die Schwächsten der Gesellschaft, die es eigentlich zu stärken und zu schützen gelte, würden unter unerträglichen Druck gesetzt, wenn organisierte Suizidbeihilfe erlaubt und staatlich geregelt ist. „Der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist aufgefordert, gegen die Schweizer Suizidpraktiken Protest einzulegen, da auch deutsche Staatsbürger in die Suizidfalle der Schweiz tappen“, so Brysch.

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