09.10.10: Klares Votum: Europarats-Ausschuss gegen Beschränkung der ärztlichen Gewissensfreiheit in ethischen Konfliktsituationen

EU-RechtDer umstrittene Europarats-Vorstoß zur Einschränkung der ärztlichen Gewissensfreiheit in ethisch umstrittenen Situationen ist vorläufig vom Tisch. Mit knapper Mehrheit wurde am 7. Oktober 2010 von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ein diesbezüglicher Bericht der britischen Sozialistin Christine McCafferty abgelehnt. Stattdessen wurde mit einer Mehrheit von 56 zu 51 Stimmen und 4 Enthaltungen eine gegenteilige Resolution verabschiedet. Von den 18 deutschen Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung nahmen laut Liste auf der Webseite des Europarates lediglich zwei an der Abstimmung teil.

Laut dem sogenannten McCafferty-Bericht sollten die Gesundheitsdienste in den 47 Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, allen Frauen uneingeschränkten Zugang zu allen in einem Land erlaubten medizinischen Dienstleistungen zu gewähren, ungeachtet religiöser oder ethischer Bedenken, etwa im Hinblick auf Schwangerschaftsabbrüche, Euthanasie, Beihilfe zum Selbstmord, Verpflanzung embryonaler Stammzellen oder Sterilisierung.

Mit der Einschränkung der Gewissensfreiheit solle ein „Gleichgewicht zwischen dem persönlichen Recht auf Gewissensentscheidungen und dem Recht der Patienten auf die gesetzlich zulässige Versorgung geschaffen werden.“ Dabei soll das Recht auf Gewissensentscheidung immer nur den Medizinern im konkreten Einzelfall – mit diversen Ausnahmeregelungen – zustehen, nicht aber für öffentliche und staatliche Einrichtungen wie etwa Kliniken insgesamt gelten.

Richtungsweisende Resolution

Diese Forderungen lehnte die Parlamentarische Versammlung jedoch ab. Stattdessen verabschiedete sie nach kontroverser längerer Debatte eine Resolution Nr. 1763 (2010), die in Artikel 1 besagt, dass „keine Person, kein Krankenhaus oder keine Institution dazu gezwungen, zur Verantwortung gezogen oder diskriminiert werden darf, weil eine Abtreibung, Euthanasie oder ein anderes den ungeborenen Menschen lebensbedrohendes Verfahren verweigert wird“. Die Parlamentarische Versammlung unterstrich in Absatz 2 „die Notwendigkeit, das Recht des Einwands aus Gewissensgründen zu bekräftigen, ebenso wie die Verantwortung des Staates, Patienten zeitnahen Zugang zu rechtmäßiger medizinischer Versorgung zu gewährleisten. Die Versammlung befürchtet, dass die ungeregelte Nutzung des Einwands aus Gewissensgründen in unverhältnismäßiger Weise Frauen trifft, besonders solche mit geringem Einkommen oder Frauen, die in ländlichen Gebieten wohnen.“

Zwar seien in den meisten der 47 Mitgliedsstaaten die Rahmenbedingungen für Gewissensverweigerung klar geregelt, geschützt und gewährleistet werden müsse aber auch das Recht der Bürger, medizinische Dienste in Anspruch zu nehmen. Zudem müssten Patienten von der Verweigerung aus Gewissensgründen rechtzeitig informiert und gegebenenfalls an andere Anbieter überwiesen werden. Nach Ansicht der Parlamentarischen Versammlung seien bei dem Thema klare Regeln in allen Staaten nötig.

Eine rechtliche Bindungswirkung hat die Resolution jedoch nicht. Verabschiedete Texte der Parlamentarischen Versammlung, die nur beratende Funktionen hat, dienen lediglich als Orientierungshilfen für das Ministerkomitee des Europarats sowie für die nationalen Regierungen und Parlamente.

„Sieg der Vernunft über eine die Freiheit missachtende Ideologie“

Die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA), Dr. med. Claudia Kaminski, zeigte sich „äußerst erfreut“ über den Ausgang der Abstimmung. „Lebensrechtler in ganz Europa können mit dem erreichten Ergebnis sehr zufrieden sein“, so Kaminski in einer Pressemitteilung vom 8. Oktober 2010. Die ALfA hatte im Vorfeld der Abstimmung einen bewegenden Appell an die Mitglieder der deutschen Delegation gerichtet und diese gebeten, dem McCafferty-Bericht ihre Stimme zu versagen. Ebenso hatten die „Ärzte für das Leben e.V.“, die „Evangelische Allianz Deutschland (EAD)“, „Christdemokraten für das Leben (CDL)“ und zahlreiche weitere Organisationen gegen die Beschlussvorlage protestiert (siehe Themenspecial vom 02.10.10).

Nach einer kontroversen Debatte hätten die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mehrheitlich einem Änderungsantrag zugestimmt, „der das mit der Entschließung ursprünglich angestrebte Ziel zunichte macht und ins Positive wendet“, so die Ärztin weiter. Das Votum der Delegierten sei ein „Sieg der Vernunft über eine die Freiheit missachtende Ideologie“, so Kaminski.

„Die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben verstanden, dass es den massiven Protesten im Vorfeld der Abstimmung um den Erhalt des Grundrechtes auf Gewissensfreiheit ging“, betonte die ALfA-Bundesvorsitzende. In pluralen Gesellschaften, die über eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter medizinischer Leistungen verfügten, gebe es keinerlei Anlass Einrichtungen zu zwingen, alle gesetzlich erlaubten Leistungen auch anbieten und durchführen zu müssen. „Wer medizinische Leistungen wünscht, die etwa Christen aus Gewissengründen ablehnen müssen, hat heute viele Möglichkeiten, diese auch zu erhalten“, so Kaminski.

„Mit ihrem Votum haben sich die Delegierten geweigert, jenen die Hand zu reichen, die eine uniforme Gesellschaft anstreben und aus ideologischen Gründen die Freiheit der Gewissen einschränken oder gar abschaffen wollen. Das war ein guter Tag für Europa. Und ein guter Tag für die Freiheit“, resümierte Kaminski abschließend.

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