10.09.10: Großer Fortschritt: Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland verabschiedet
Rund 50 gesellschaftlich und gesundheitspolitisch relevante Institutionen haben am 8. September 2010 am Runden Tisch in Berlin die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen“ verabschiedet. Vorangegangen war dem ein zweijähriger Arbeitsprozess. Diesen hatten die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) und die Bundesärztekammer (BÄK) im September 2008 in Gang gesetzt.
„Die Charta soll dazu beitragen, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Sterben und Sterbebegleitung zu fördern. Sie soll eine grundlegende Orientierung und ein wichtiger Impuls für die Weiterentwicklung der Palliativmedizin sein“, erklärte Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit den Verbänden zur Vorstellung des Papiers.
Es gehe darum aufzuzeigen, wie eine Palliativversorgung aussehen muss, die sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen unheilbar kranker und sterbender Menschen richtet. „Wir Ärztinnen und Ärzte setzen uns dafür ein, Schwerstkranken und Sterbenden ein Sterben unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen und insbesondere Bestrebungen nach einer Legalisierung der Tötung auf Verlangen eine Perspektive der Fürsorge und des menschlichen Miteinanders entgegenzusetzen“, sagte Hoppe.
Fünf Leitsätze
In fünf Leitsätzen und ergänzenden Erläuterungen zeigt die Charta gesellschaftspolitische Herausforderungen auf, benennt Anforderungen an die Versorgungsstrukturen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung, skizziert Entwicklungsperspektiven für die Forschung und misst den Stand der Betreuung schwerstkranker Menschen in Deutschland an europäischen Maßstäben.
Drängende Fragen, die in der Charta angesprochen werden, sind insbesondere u. a.: Was bedeutet Sterben unter würdigen Bedingungen? Wie kann ein schwerstkranker Mensch sicher sein, dass an seinem Lebensende seine Wünsche und Werte respektiert und Entscheidungen unter Achtung seines Willens getroffen werden?
Die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland habe in den vergangenen 25 Jahren zwar erhebliche Fortschritte gemacht. Immer noch aber werden viele Menschen von entsprechenden ambulanten und stationären Angeboten nicht erreicht. Sie leiden unter Schmerzen und anderen belastenden Symptomen, wären lieber an einem vertrauten Ort und fühlen sich häufig an ihrem Lebensende alleingelassen.
„Das Thema Sterben gehört zum Leben, es darf nicht verdrängt oder ausgeklammert werden, sondern gehört in die Mitte der Gesellschaft“, hob Prof. Dr. Christof Müller-Busch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, bei der Vorstellung der Charta hervor. Er gab zu bedenken, dass trotz aller medizinischen Fortschritte und Aussichten, das Leben länger und besser zu gestalten, in Deutschland über 800.000 Menschen, d.h. ein Prozent der Bevölkerung, jährlich sterben – und dies unter ganz unterschiedlichen Bedingungen. „Weder in der Gesundheits- noch in der Sozialpolitik, weder bei den Bildungsausgaben noch in der öffentlichen Kommunikation wird ein Sterben in Würde, werden Tod und Trauer explizit bzw. angemessen berücksichtigt“, kritisierte Müller-Busch.
Aufruf zur Unterstützung der Charta
„Die Charta fordert, die Rechte schwerstkranker und sterbender Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. In einem Gesundheitssystem, das zunehmend von Wettbewerb und ökonomischen Interessen bestimmt wird, müssen dazu die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden“, erklärte Dr. Birgit Weihrauch, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes. Dazu bedürfe es der Anstrengung vieler Beteiligter. Dass so viele verantwortliche Institutionen aus Gesellschaft und Gesundheitssystem diese Charta mit erarbeitet haben und ihre Ziele unterstützen, sei dazu ein wichtiger Schritt.
Die Empfehlungen der Charta sowie Perspektiven zu ihrer Umsetzung wurden im Rahmen der Vorstellung mit Annette Widmann-Mauz, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, und Josef Hecken, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und weiteren wichtigen Akteuren der deutschen Gesundheitspolitik sowie mit internationalen Experten intensiv diskutiert. Institutionen haben ab sofort die Möglichkeit, die Charta aktiv zu unterstützen – mit ihrer Unterschrift, dass sie Ziele und Inhalte der Charta mit tragen und für diese eintreten.
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