22.11.08: Dritter Gesetzentwurf zu Patientenverfügungen vorgelegt
Eine Gruppe um die Abgeordneten Wolfgang Zöller (CSU), Dr. Hans Georg Faust (CDU), Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Monika Knoche (Die Linke) hat einen neuen Gesetzentwurf zur Regelung von Patientenverfügungen vorgestellt. Er soll laut den Verfassern ein Mittelweg zu den beiden bestehenden Gesetzentwürfen der Abgeordnetengruppen um Wolfgang Bosbach (CDU) und Joachim Stünker (SPD) bilden. (Siehe das Themenspecial vom 25.10.2008 unten.)
Der neue Gesetzentwurf sieht eine grundsätzliche Verbindlichkeit einer Patientenverfügung vor. Sowohl der ausdrücklich erklärte als auch der mutmaßliche Wille des Patienten sollen nach Verlust der Einwilligungsfähigkeit fort wirken. Weiters sieht das Papier vor, dass auch eine mündlich geäußerte Erklärung als Patientenverfügung wirksam sein soll. Auch bei Vorliegen einer Patientenverfügung muss immer die aktuelle Situation des Patientenwillens von Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigtem individuell ermittelt werden.
Besteht Unklarheit bei Arzt und rechtlichem Vertreter des Patienten über dessen Willen, sollen beide dem Patienten nahestehende Personen hinzuziehen, um sich Klarheit zu verschaffen. Sind sich Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigtem über die Fortführung der Behandlung oder die Umsetzung der Patientenverfügung nicht einig, muss das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden. Es soll jedoch nicht generell, sondern nur in diesem Ausnahmefall angerufen werden und feststellen, ob der Wille des Patienten richtig ermittelt wurde.
Kritik am dritten Gesetzentwurf zu Patientenverfügungen
Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte den neuen Gesetzentwurf als „ein reines Placebo, das nicht in der Lage ist, die vorhandenen Probleme zu lösen.“ Selbstbestimmung sei nur möglich, wenn die Menschen über Möglichkeiten und Risiken aufgeklärt sind. Dazu bedürfe es gründlicher, fachkundiger Beratung, stellte der Geschäftsführer der Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, in einer Pressemitteilung vom 12. November klar.
„Dass der Entwurf Beratungen völlig außen vor lässt, ist ein schweres Manko. Damit vernachlässigt er sowohl das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen als auch die Fürsorgepflicht des Staates, die höchsten Verfassungsrang haben. Er lässt Patienten, Angehörige, Ärzte und Vormundschaftsrichter weiter im Regen stehen und suggeriert, dass alles geregelt sei, obwohl in der Praxis nichts geregelt ist“, so Brysch.
Bedenklich sei auch, dass der Vorschlag selbst mündliche Äußerungen als gültige Patientenverfügung auffasst. „Sogar elementarste Sicherungen gegen Fremdbestimmung und Missbrauch fehlen“, kritisierte Brysch. Fehlinterpretationen sei Tür und Tor geöffnet. Bereits vor vier Jahren hatte Justizministerin Brigitte Zypries einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ebenfalls mündliche Verfügungen zulassen sollte. Brysch erinnerte daran, dass die Ministerin damit politischen Schiffbruch erlitten hatte und ihren Entwurf zurückziehen musste.
Völlig ungenügende Regelungen zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens
Ebenfalls enttäuschend sei es, dass der Entwurf völlig ungenügende Regelungen zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens vorsieht. Das, obwohl er den mutmaßlichen Willen mit dem tatsächlichen, in einer Patientenverfügung geäußerten Willen, gleichsetze. Zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens „sollen“ Angehörige, Betreuer, Ärzte und Pflegekräfte herangezogen werden, müssen aber nicht. Kriterien zur Feststellung des mutmaßlichen Willens fehlen zur Gänze, so die Deutsche Hospiz Stiftung. „Heute wird vielfach nicht danach gefragt, was der Patient gewollt hätte, sondern von dem ausgegangen, was man selbst wollen würde. Anstatt diesen Missstand zu beseitigen, würde der vorliegende Entwurf ihn zementieren“, stellte Brysch fest.
„Bei dem heute vorgestellten Gesetzesvorschlag von einem Kompromiss zu reden, geht an der Wirklichkeit vorbei. Sowohl die Gruppe um Stünker als auch die Gruppe um Bosbach und Göring-Eckardt haben jedenfalls bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens substanziellere Vorschläge. Ein Kompromiss müsste eine tragfähige Brücke zwischen den Positionen der Gruppen um Bosbach und Stünker bauen. Tatsächlich verlangt das Papier aber, dass beide Gruppen über Wasser gehen müssten, und das kann nach den Naturgesetzen nur scheitern.“, gab Brysch zu bedenken.
Bei den Parlamentariern stelle sich Medienberichten zufolge zunehmend die Frage, ob es besser sei, keine Regelung zu Patientenverfügungen zu treffen. So habe der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla laut einem Bericht der Rheinischen Post vom 15.11.08 den Bundestagsabgeordneten geraten, keinem der drei vorliegenden Entwürfe zuzustimmen. „Je mehr ich mich persönlich damit beschäftige, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es am Ende besser wäre, überhaupt keine gesetzliche Regelung zu treffen“, sagte Pofalla der „Rheinischen Post“. Die Frage des würdevollen Umgangs mit dem Tod könne nicht abschließend „mit ein paar Paragrafen geregelt“ werden.
Nun soll noch dieses Jahr eine erste Lesung der Gesetzentwürfe stattfinden. Die entscheidende Schlussabstimmung im Parlament ist für das Frühjahr 2009 geplant.
Ergänzende Informationen:
- Themenspecial vom 24.10.08: Debatte um Patientenverfügungen: Zweiter Gruppenantrag vorgestellt
- Spitzengespräch der Bundesärztekammer, der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG Bundesärztekammer, Deutsche Bischofskonferenz und der EKD 21.11.08