17.06.10 Schweiz: Bundesgericht erklärt Suizidbeihilfe-Vereinbarung der Oberstaatsanwaltschaft Zürich mit Sterbehilfe-Organisation Exit für nichtig

Flagge SchweizDas Schweizer Bundesgericht in Lausanne hat eine bundesweit einzigartige Vereinbarung der Staatsanwaltschaft Zürich mit der Sterbehilfeorganisation Exit für nichtig erklärt. Unter der Federführung des Leitenden Oberstaatsanwalts des Kantons Zürich, Andreas Brunner, hatten sich im Juli letzten Jahres Exit deutsche Schweiz und die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft auf verbindlichen Regeln für die organisierte Suizidhilfe verständigt. Darin wurden die Voraussetzungen für die Gewährung von Sterbehilfe und der Ablauf der Freitodbegleitung festgelegt (siehe Themenspecial vom 12.07.09 unten).

Die Lebensrechtsorganisation Human Life International (HLI) Schweiz, die Vereinigung Katholischer Ärzte der Schweiz (VKAS) und die Schweizerische Gesellschaft für Bioethik (SGB) hatten daraufhin die „Vereinbarung“ über die Beihilfe zum Suizid im September 2009 juristisch angefochten. Wie HLI Schweiz in einer Presserklärung am 16. Juni mitteilte, ist das Bundesgericht auf die Beschwerde zwar nicht eingetreten, hat aber die Vereinbarung dennoch als nichtig erklärt.

Die Beschwerde führenden Organisationen und Einzelpersonen hatten geltend gemacht, dass die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit dem Abschluss der „Vereinbarung“ mit Exit ihre Kompetenzen überschritten hat. Diese Übereinkunft hatte sich nämlich auch auf die Rechte und Pflichten untergeordneter Instanzen, wie Ärzte, Psychiater, Polizei und Staatsanwaltschaft bzw. Untersuchungsbehörden ausgewirkt.

Die Bundesrichter waren sich einig, dass die Vereinbarung gegen Bundesrecht verstößt und die involvierten kantonalen Instanzen mehrfach ihre Kompetenzen überschritten haben. Eine Einhaltung der „Vereinbarung“ könne im Einzelfall dazu führen, dass im Zusammenhang mit der Beihilfe zum Suizid eine Straftat übersehen wird. Das Bundesgericht stellte fest, dass diese Regelung von den Bestimmungen über die Untersuchungen bei außergewöhnlichen Todesfällen abweicht und damit gegen die geltende Strafprozessordnung im Kanton Zürich verstößt. Solche bilateralen Abmachungen tangieren das existenzielle Grundrecht auf Leben, zumal es immerhin um mögliche illegale Tötungen gehe.

Scheinvereinbarung ohne richterliche Überprüfbarkeit

Die Bundesrichter bezeichneten laut HLI Schweiz die Vereinbarung mehrfach als „Scheinverordnung“, die den Zweck habe, diese der richterlichen Überprüfbarkeit zu entziehen. Das sei rechtsstaatlich außerordentlich problematisch und man schließe letztlich damit das Volk aus. Diese Hauptargumente führten die Richter dazu, die Vereinbarung als nichtig zu erklären.

„Für eine weitere detaillierte Stellungnahme warten wir die schriftliche Urteilsbegründung ab“, erklärten die Beschwerdeführer. Sie nehmen das Urteil des Bundesgerichts „mit großer Genugtuung“ zur Kenntnis und hoffen, dass dieser Entscheid sich positiv auf die laufenden Diskussionen für eine bundesrechtliche Regelung der Beihilfe zum Suizid auswirken werde.

Die Sterbehilfeorganisation Exit teilte am 17. Juni 2010 in einer Presseerklärung mit, sie könne „gut mit dem Bundesgerichtsentscheid leben“. Denn dieser habe kaum praktische Auswirkungen. Exit werde sich auch ohne formelle Vereinbarung mit dem Standortkanton „freiwillig in der ganzen Schweiz an diesen Bestimmungen orientieren“, jedoch sei der Bund nun „mehr denn je gefordert“.

HLI-Schweiz und die VKAS haben sich auch mit der Ende letzten Jahres begonnenen Vernehmlassung des Bundesrates zur organisierten Beihilfe zum Suizid (siehe das Themenspecial vom 29.10.09) auseinandergesetzt und sich für ein Verbot der organisierten Beihilfe zum Suizid ausgesprochen. Als Begleitmaßnahme müsse mehr für die Suizidprävention getan und die Palliativmedizin in der Ausbildung und Praxis der Ärzte und des Pflegepersonals gefördert werden, so HLI-Schweiz.

Alle drei Organisationen verweisen zudem ausdrücklich auf die in Deutschland gemachten positiven Erfahrungen mit Hospizen für Sterbende im Endstadium. Damit könnten ihrer Ansicht nach Suizide vermieden und positive Zeichen gesetzt werden, dass Kranke, Behinderte und Sterbende von unserer Gesellschaft mitgetragen werden.

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