10.01.07: Schmerzen, Schreie und langsames Sterben: Schwere Vorwürfe gegen Sterbehilfeorganisation Dignitas in zwei Fällen

10.01.07: Schmerzen, Schreie und langsames Sterben: Schwere Vorwürfe gegen Sterbehilfeorganisation Dignitas in zwei Fällen

Erschütternde Berichte über die „unsaubere“ Arbeit der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas sorgen für Furore. Laut einem Bericht der Schweizer Sonntagszeitung vom 06.01.07 starb ein Dignitas-Mitglied beim Selbstmord erst nach 72 Stunden. In einem zweiten Fall habe eine Frau unter starken Schmerzen gelitten, nachdem sie das Gift getrunken hatte, das ihr Dignitas besorgt hatte, und sei erst nach 38 Minuten gestorben. „Ich verbrenne“, habe die 43-Jährige gemäss Aussage von zwei Augenzeugen immer wieder geschrien. Sie sei erst nach dem fünften Atemstillstand gestorben.

Konkret ging es im Fall der Frau, die nur mit „A. H.“ benannt wurde, um eine 43-jährige Deutsche, bei der vor vier Jahren die Diagnose Gehirntumor gestellt wurde. Nach einer Operation und zahlreichen Chemotherapien habe sie sich bei Dignitas gemeldet. Mit vier Begleitern sei nach Zürich gereist, um am 13. November 2006 zu sterben. Dort habe die geschwächte Frau zuerst 35 Minuten auf die Sterbehelferin warten müssen, die das Gift brachte.

Schmerzen, Schreie und langsames Sterben

Wie die Sonntagszeitung unter Berufung auf Zeugenaussagen weiter berichtete, sei das Sterbezimmer „in einem traurigen Zustand“ gewesen. Der Boden sei dick mit Staub belegt gewesen und das Bett habe ausgesehen, als ob es schon benutzt worden wäre. Als die Frau das Gift schluckte, habe sie laut zweier Zeugen laut vor Schmerzen aufgeschrien. Die Frau sei schließlich nach einem angespannten Koma nach 38 Minuten erstickt.

Im anderen Fall handelte es sich laut der Sonntagszeitung um den Schlaganfallpatienten Peter A.. Er habe sich im August 2004 das Gift über eine Magensonde zugeführt. Statt – wie es „normal“ wäre – innerhalb von Minuten zu sterben, habe er 72 Stunden mit dem Tod gerungen.

Laut einem Bericht der Berliner Zeitung in der Online-Ausgabe vom 11.01.07 wies der Dignitas-Begründer Ludwig A. Minelli die Vorwürfe als unbegründet zurück. „Niemand hat gelitten. Das ist eine völlig falsche Darstellung der Situation.“ Entsprechende Medienberichte seien Minellis Ansicht nach „ein raffiniertes Konglomerat von Halbwahrheiten, perfiden Unterstellungen und haltlosen Verdächtigungen.“ Er sprach von einer Kampagne gegen seine Organisation.

Ammenmärchen vom friedvollen Einschlafen

In einer Pressemitteilung vom 09.01.07 übte die Deutsche Hospiz Stiftung scharfe Kritik an den Vorgängen. „Es ist ein Ammenmärchen, dass der Mensch nach der Einnahme von Gift ausnahmslos friedvoll einschläft“, so der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. Auch bei Einsatz so genannter modernster Methoden könne ein komplikationsloser Ablauf der Tötung nicht sichergestellt werden. Dies würden u.a. niederländische Studien beweisen.

Organisationen wie Dignitas würden das Thema schönreden und die wirklichen Probleme beiseite schieben. Die Deutsche Hospiz Stiftung warne deshalb seit Jahren vor den leichtfertigen Versprechungen auf einen schnellen, schmerzfreien Tod. „Die verblendeten Verfechter der Selbsttötung zeigen hier ihre Arroganz gegenüber verzweifelten Hilfesuchenden, die am Ende nur noch ihre Opfer werden“, kritisierte Brysch.

Ergänzende Informationen:

  • „Mehr Leben bis zuletzt“
    „Es gibt keine Garantie auf einen schmerzfreien Tod“, sagt der Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung Eugen Brysch im WELT.de Interview.
    DIE WELT 09.01.07
     
  • Sterbebegleitung mit Komplikationen?
    Dignitas mit Vorwürfen konfrontiert
    Die Sterbehilfeorganisation Dignitas wird mit Vorwürfen konfrontiert. Nach einem Bericht in der „Sonntags-Zeitung“ sind zwei Personen, die mit Hilfe von Dignitas Selbstmord verübt haben, unwürdig aus dem Leben geschieden.
    NEUE ZÜRCHER ZEITUNG NZZ 09.01.07
     
  • Langer Weg in den Tod
    Die Sterbehilfeorganisation Dignitas wehrt sich gegen Vorwürfe, sie ließe Menschen leiden
    BERLINER ZEITUNG 11.01.2007
     

Nach oben