23.08.18: Medikamentenabgabe für Sterbehilfe: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnt Anträge ab – Bundesgesundheitsministerium unterläuft Bundesverwaltungsgerichtsurteil
Im März 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem scharf kritisierten richtunsgweisenden Urteil entschieden, dass der Staat im extremen Einzelfall den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren darf, das dem Patienten „eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht.“ Hintergrund war ein diesbezüglicher abgelehnter Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Seit dem Urteil wurden bis Mai 2018 beim BfArM 104 Anträge auf Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung gestellt. Das BfArM hat nun die ersten Anträge abgelehnt, bislang sieben. Dies berichtete der Berliner Tagesspiegel am 18.08.18. Das Institut betonte dem Bericht zufolge, man prüfe jeden Einzelfall und berücksichtige die individuellen Umstände.
Bundesgesundheitsministerium unterläuft Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesinstitut wurde bereits im Juni dieses Jahres von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) aufgefordert, Patienten keine tödliche Dosis eines Betäubungsmittels zu verschaffen und solche Anträge pauschal abzulehnen. Es könne nicht Aufgabe des Staates sein, Suizidhandlungen aktiv zu unterstützen. Diese Anweisung steht damit gegensätzlich zum Gerichtsurteil.
Der Tagesspiegel berichtet nun unter Berufung auf Vermerke und interne E-Mails des Hauses von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das Ministerium habe schon frühzeitig entschieden, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu umgehen. Kriterien für eine Freigabe tödlich wirkender Medikamente zu entwickeln „würde die bisherige ethisch-politische Linie von Herrn Minister konterkarieren“, hieß es bezogen auf Spahns Amtsvorgänger Hermann Gröhe (CDU) in einem Vermerk bereits vier Tage nach dem Urteil, so der Tagesspiegel. Das im Mai 2018 veröffentlichte Rechtsgutachten zum Urteil sollte diese Haltung schließlich stützen.
Dem Enthüllungsbericht war eine Informationsklage des Tagesspiegel vorausgegangen. Das Verwaltungsgericht Köln im Juni hatte das Ministerium verpflichtet, Leitungsvermerke und behördeninternen E-Mail-Verkehr nach Erlass des höchstrichterlichen Bundesverwaltungsgerichtsurteils offenzulegen (Az.: 6 L 261/18). Damit konnte laut Tagesspiegel nachvollzogen werden, wie es zu der Haltung an der Spitze des Ministeriums kam und ob ihr „neben rechtlichen vorrangig politische Motive zugrunde liegen“.
Mehr dazu ausführlich in den folgenden Tagesspiegel-Berichten.
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