Patientenverfügung

23.01.09: Patientenverfügungen: Erneute Debatte im Deutschen Bundestag

23.01.09: Patientenverfügungen: Erneute Debatte im Deutschen Bundestag

Am 21. Januar 2009 berieten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages erneut über eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen. Zur Diskussion standen in der kontroversen Debatte mit 15 Rednerinnen und Rednern zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe. Im Kern geht es dabei um die Frage der Verbindlichkeit und der Reichweite der Gültigkeit.

Der eine Entwurf, der von einer Gruppe von Abgeordneten um Wolfgang Bosbach (CDU) und Katrin Göring-Eckhardt (Bündnis 90/Die Grünen) eingebracht worden war (Drucksache 16/11360), sieht ein Zwei-Stufen-Konzept vor. In einer Patientenverfügung getroffene Anordnungen über Art und Umfang der Behandlung sind demnach nach Verlust der Einwilligungsfähigkeit grundsätzlich verbindlich. Auch der Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung kann unabhängig vom Stadium der Erkrankung in einer notariell beurkundeten Patientenverfügung verbindlich angeordnet werden, der eine umfassende ärztliche Beratung vorausgeht. Eine solche Patientenverfügung muss alle fünf Jahre bestätigt werden.

In einer einfachen Patientenverfügung, ohne vorherige Beratung und Beurkundung, ist die Anordnung eines Behandlungsabbruchs nur verbindlich, wenn eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit oder ein Fall endgültigen Bewusstseinsverlusts vorliegt. Anders als der vor der Sommerpause von einer Gruppe um den SPD-Abgeordneten Joachim Stünker im Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf (siehe unten) lehnt dieser Entwurf eine Pflicht zum Abbruch lebenserhaltender Behandlungen unabhängig vom Stadium einer Erkrankung ab, wenn der Patientenverfügung keine ärztliche Beratung vorausgeht.

Ein Mittelweg

Der zweite Entwurf einer Gruppe um die Abgeordneten Wolfgang Zöller (CSU), Dr. Hans Georg Faust (CDU), Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Monika Knoche (Die Linke) (Drucksache 16/11493) soll laut den Verfassern ein Mittelweg zu den beiden bestehenden Gesetzentwürfen der Abgeordnetengruppen um Wolfgang Bosbach und Joachim Stünker bilden und sieht eine grundsätzliche Verbindlichkeit einer Patientenverfügung vor. Sowohl der ausdrücklich erklärte als auch der mutmaßliche Wille des Patienten sollen laut dem Entwurf nach Verlust der Einwilligungsfähigkeit fort wirken. Weiters sieht das Papier u.a. vor, dass auch eine mündlich geäußerte Erklärung als Patientenverfügung wirksam sein soll.

Ein dritter Gesetzentwurf einer Gruppe um den SPD-Abgeordneten Joachim Stünker (Drucksache 16/8442) wurde bereits am 26. Juni 2008 in erster Lesung beraten. Der eingebrachte Gesetzentwurf betont ebenfalls das Selbstbestimmungsrecht des Patienten sieht jedoch vor, dass die vorab verfasste Willenserklärung eines Patienten grundsätzlich verbindlich sein soll, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Nur bei Zweifeln über den Patientenwillen oder Missbrauchsverdacht soll das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden. Äußert der Patient Lebenswillen, so soll eine auf Nichteinleitung oder Behandlungsabbruch gerichtete frühere Verfügung nicht wirksam sein.

Es besteht noch Diskussionsbedarf

Im Laufe der Debatte am 21.01.09 wurde insbesondere in den zahlreichen Zwischenfragen deutlich, dass in manchen Punkten durchaus noch Diskussionsbedarf besteht. Alle Abgeordneten verteidigten die jeweiligen von ihnen unterzeichneten Entwürfe gegen Kritik. Der FDP-Abgeordnete Michael Kauch, der auch an der Ausarbeitung des Stünker-Entwurfs beteiligt war, zeigte sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss zwischen dem Stünker-Entwurf und dem von Zöller/Faust möglich sei. Als nächstes werden die Gesetzentwürfe nun in den Ausschüssen weiter beraten. Voraussichtlich am 4. März 2009 findet dazu eine Anhörung im Rechtsausschuss statt.

Bisher gibt es kein Gesetz, das den Umgang mit einer Patientenverfügung regelt. Bis heute gilt die Richtschnur, dass der Patientenwille zu beachten, aber nicht in jedem Fall verbindlich ist. Der Bundesgerichtshof habe hier in der Vergangenheit zwar Maßstäbe entwickelt, wann die Patientenverfügung gilt, doch die Rechtsprechung selbst sei nicht immer deutlich gewesen. So agieren Ärzte streng genommen bis heute in einer rechtlichen Grauzone, heißt es beim Deutschen Bundestag in Erläuterungen zur Debatte (siehe unten).

Stimmen zur Patientenverfügungsdebatte

Der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, mahnte in einer Pressemitteilung vom 21. Januar die Notwendigkeit eines entsprechenden Gesetzes zu Patientenverfügungen an. Laut einer von der Deutschen Hospiz Stiftung in Auftrag gegebenen TNS Infratest-Studie bekunden 88 Prozent der Befragten, dass Hilfe beim Verfassen von Patientenverfügungen notwendig sei. Für jeweils etwa die Hälfte der Befragten sei Form bzw. Inhalt von Patientenverfügungen unklar.

Große Unsicherheit bestehe zudem in Hinblick auf die rechtliche Lage. 35 Prozent vermuten, die Ärzte würden sich ohnehin nicht an ihre Verfügung halten. „Dies führt uns eines klar vor Augen: Wir brauchen dringend ein praxistaugliches Gesetz, damit die Menschen nicht länger im Regen stehen gelassen werden Allerdings wartet da auf die Abgeordneten noch jede Menge Arbeit. Denn alle drei in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorschläge weisen teils erhebliche Schwächen auf. Das Recht der Menschen auf Selbstbestimmung wird von keinem der Entwürfe ausreichend geachtet“, erklärte Brysch.

Der Präsident der Bundesärztekammer Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe vertritt dagegen die Ansicht, es sei kein Gesetz notwendig. „Patientenverfügungen sind verbindlich, wenn sie eindeutig formuliert sind. Der Arzt ist daran gebunden, auch wenn er anderer Meinung ist. Das gilt schon heute, auch ohne Gesetz. Wir brauchen deshalb kein detailliertes Gesetz zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen“, erklärte Hoppe in einer Pressemitteilung zur Bundestagsdebatte. „Wenn die Politik nun trotzdem den Versuch unternimmt, die bestehende Rechtslage mit komplizierten Formulierungen zu überfrachten, wird mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen“, warnte er.

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