15.09.12: Zur Umgehung eines drohenden Verbots: Verein von Sterbehelfer Roger Kusch ändert Satzung und gründet Schweizer Ableger
Vor dem Hintergrund eines am 29.08.12 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung geht der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch mit seinem Sterbehilfeverein in die Offensive. Auf einer Mitgliederversammlung seines Vereins vergangenes Wochenende in Hamburg wurde eine Satzungsänderung beschlossen, mittels der er versuchen will, ein mögliches Vereinsverbot zu umgehen.
Wie die „Welt“ am 11.09.12 berichtete, sieht die neue Satzung vor, dass nach jeder Suizidbegeleitung alle gezahlten Beiträge und Spenden, die der Verein zuvor von dem Mitglied erhalten hatte, an die Hinterbliebenen zurückgezahlt werden, „um zu dokumentieren, dass der Verein keinerlei wirtschaftliche Zielsetzung hat.“ Davon erhoffe man sich, nicht als gewerbsmäßiger, kommerzieller Anbieter zu gelten, der sich für Sterbehilfe bezahlen lässt, so die Zeitung. Denn nach dem jüngst vom Bundeskabinett gebilligten Gesetzentwurf soll die gewerbsmäßige Suizidbeihilfe mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden und einem gewerbsmäßigen Verein könnte ein Verbot drohen (siehe dazu das Themenspecial vom 30.08.12).
Zudem wurden die Jahresbeiträge für den Sterbehilfeverein von 100 auf 200 Euro angehoben. Die alternativ mögliche Einmalzahlung für eine lebenslange Mitgliedschaft beträgt für Neumitglieder zudem nicht mehr 1000, sondern 2000 Euro. Damit wolle man möglichen Finanzierungsengpässen vorbeugen. Außerdem hat Kusch vorsorglich nun einen Ableger seines Vereins in der Schweiz in Zürich gegründet, wie jetzt bekannt wurde. Eine Satzung dafür wurde bereits am 10.08.12 beschlossen.
Bayerns Justizministerin Merk fordert dringende Nachbesserung des Gesetzentwurfs
Angesichts aktueller Versuche der Sterbehilfeorganisation, das auf den Weg gebrachte Verbot der gewerbsmäßigen Suizidbeihilfe bereits zu umgehen, bevor es in Kraft ist, fordert Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk dringend eine Nachbesserung des Gesetzentwurfs.
„Die Versuche von Herrn Kusch, durch eine Sterbehilfe mit einer zynischen ‚Geld-zurück-Garantie‘ den Eindruck zu erwecken, seine Organisation sei nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet, und damit das noch nicht verabschiedete Gesetz schon wieder zu umgehen, zeigen, dass das Gesetz in diesem Punkt dringend nachgebessert werden muss. Solange es für das Verbot entscheidend auf die Gewerblichkeit ankommen soll, wie das der Gesetzentwurf vorsieht, bietet der Straftatbestand zu viele Schlupflöcher, die es unseren Staatsanwälten zumindest erschweren werden, ihn vor Gericht zu beweisen. Wir müssen die Strafbarkeit deshalb auf jegliche organisierte Sterbehilfe ausdehnen“, erklärte Merk in einer Pressemitteilung vom 11.09.12.
Die Furcht der Suizidbeihilfeorganisationen zeige laut Merk andererseits, dass das Gesetz an der richtigen Stelle ansetzt und dringend erforderlich sei. „Wir müssen der organisierten Suizidbeihilfe wie beispielsweise Roger Kusch sie betreibt, einen Riegel vorschieben. Wenn der Tod gleichsam als Dienstleistung auf dem Markt angeboten wird, wird Menschen ein scheinbar schneller Ausweg suggeriert, den sie bei entsprechender Beratung, wirklicher menschlicher Zuwendung und Sorge möglicherweise nicht wahrgenommen hätten“, so Merk.
Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zur aktuellen Diskussion über Suizidbeihilfe
Unterdessen hat sich auch der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz zur aktuellen Diskussion über die Beihilfe zur Selbsttötung mit einer Erklärung vom 12.09.12 zu Wort gemeldet. Darin heißt es:
„Niemandem steht es zu, über den Wert oder Unwert eines menschlichen Lebens zu befinden oder dieses vorzeitig zu beenden. Daher begrüßt es die katholische Kirche, wenn Initiativen ergriffen werden, um die in den letzten Jahren alarmierend gestiegene Anzahl von Fällen des begleiteten Suizids grundlegend einzudämmen und die Beihilfe zur Selbsttötung nicht zu einer normalen, gesellschaftlich anerkannten Dienstleistung werden zu lassen.
Als ethisch verwerflich verurteilt sie die öffentliche Duldung oder Förderung jeder Form von institutionalisierter Suizidhilfe, deren hauptsächlicher Zweck darin besteht, Notleidenden eine schnelle und effiziente Möglichkeit für die Selbsttötung anzubieten. Ein gesetzliches Verbot lediglich des gewerbsmäßigen, also gewinnorientierten Handelns greift aus ihrer Sicht jedoch zu kurz, da eine solche Engführung sogar den Eindruck erwecken könnte, alle nicht kommerziellen Formen seien als legitim zugelassen“.
Gerade angesichts der aktuellen Debatte komme es darauf an, unzweideutig für die Achtung der Menschenwürde einzutreten. Der Wunsch zu sterben, werde oft erst aus Verzweiflung geboren. In vielen Fällen sei er nicht von Dauer, wenn dem Kranken liebevolle Begleitung sowie optimale medizinische und psychosoziale Betreuung zuteil werden. Hier seien besonders die Heilberufe gefordert.
Die deutschen Bischöfe drängen daher auf eine Ausweitung der Hospizangebote und eine Verbesserung der palliativ-medizinischen Versorgung und sprechen sich nachdrücklich für ein umfassendes Verbot organisierter Beihilfe zur Selbsttötung aus.
Ergänzende Informationen:
- Sterbehilfe mit Geld-zurück-Garantie
Der Verein von Roger Kusch ändert seine Satzung, um das geplante Verbotsgesetz zu umgehen
Von Matthias Kamann
DIE WELT 11.09.12
- Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zur aktuellen Diskussion über die Beihilfe zur Selbsttötung
PRESSEMITTEILUNG Deutsche Bischofskonferenz DBK 12.09.12
- Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Verabschiedet im Bundeskabinett am 29.08.12 (PDF-Format)
- 30.08.12: Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung
- 03.08.12: Überarbeiteter Referenten-Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung: Sturm der Entrüstung über mögliche Liberalisierung
- Themenspecial 08.06.12, ergänzt am 23.06.12: Kritik an Referenten-Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der Förderung der Suizidbeihilfe – Verbände fordern Überarbeitung
- 09.03.12: Koalitionsausschuss von Union und FDP will Verbot gewerbsmäßiger Förderung der Selbsttötung
Der Koalitionsausschuss von Union und FDP hat bei seinem Treffen am 04.03.12 beschlossen, dass Geschäfte mit der Sterbehilfe verboten werden sollen. Konkret wollen sie die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellen und dafür einen neuen Tatbestand im Strafgesetzbuch schaffen.
Presseschau zum Sterbehilfeverein von Roger Kusch
Hier finden Sie chronologisch sortiert eine Auswahl zum Sterbehilfeverein von Roger Kusch und seinen neuen Aktivitäten.
Deutscher Sterbehilfeverein in der Schweiz geklont
Oliver Tolmein
FAZ.NET Blog Biopolitik 16.09.12
Verein Sterbehilfe Deutschland gründet einen Sitz in Zürich
TAGESANZEIGER.CH 14.09.12
Zürich wird zum Schlupfloch für deutsche Sterbehelfer
Von Michael Meier
Weil seine Organisation in Deutschland wohl bald verboten wird, gründet Roger Kusch in Zürich einen Ableger. Er will damit die Handlungsfähigkeit seines Suizidhilfe-Vereins erhalten.
TAGESANZEIGER.CH 14.09.12
Kommerzielle Sterbehilfe: Gesetzliches Verbot geplant
Richter-Kuhlmann, Eva A.
Kommerzielle Sterbehilfe soll künftig gesetzlich verboten werden.
Deutsches Ärzteblatt 2012; 109(37): A-1826 / B-1480, 14.09.12
„Zum Abschied ein Lächeln im Gesicht“
Der Pionier der Palliativmedizin Christof Müller-Busch über den würdevollen Tod und seine Zweifel an der Sterbehilfe.
FRANKFURTER RUNDSCHAU 13.09.12
Debatte dauert an
Bischöfe erneuern Kritik an kommerzieller Sterbehilfe
DOMRADIO 12.09.12
Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz zur aktuellen Diskussion über die Beihilfe zur Selbsttötung
Seit einigen Monaten ist die Debatte um die Sterbehilfe in Deutschland neu entbrannt, unter anderem ausgelöst durch einen Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium.
PRESSEMITTEILUNG Deutsche Bischofskonferenz DBK 12.09.12
Sterbehilfe mit Geld-zurück-Garantie
Der Verein von Roger Kusch ändert seine Satzung, um das geplante Verbotsgesetz zu umgehen
Von Matthias Kamann
DIE WELT 11.09.12
Justizministerin Beate Merk zu Manipulationen des Sterbehilfevereins von Roger Kusch: „Verbot der Suizidbeihilfe darf nicht durch zynische Geld-Zurück-Garantie umgangen werden!“
PRESSEMITTEILUNG Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 11.09.12